Sinnvoll schenken

Was haben Sie dieses Jahr zu Weihnachten geschenkt bekommen? Wann haben Sie zuletzt bei der Bescherung um Fassung gerungen? Schwer vorstellbar, dass Sie mithalten können mit dem, um das es in dieser Geschichte geht.

Nach den finalen Weihnachtsvorbereitungen, nach Kirchgang, Essen und Bescherung sind die Feiertage das stille Auge im Orkan des achteraus liegenden und schon bald wieder einsetzenden Alltags. Leider schellt am zweiten Weihnachtsfeiertag unausweichlich die B-Liga der Verwandtschaft. Tja, und vorher schweift der Blick noch mal über das Sideboard im Wohnzimmer und rüber zum Baum. Da liegen die ganzen Verlegenheiten, die vorgestern aus dem Papier genestelten Bestseller und Biographien, Kalender, Socken und – ach – die entsetzlichen Weinbrandbohnen auch.

Alternative zur Weinbrandbohne

Wann haben wir zuletzt bei der Bescherung um Fassung gerungen, und haben staunend, der Ohnmacht nahe vor dem einzig richtigen Präsent gestanden? Wann gab es zuletzt das überlebensgroße Spielzeug, das wir des Anstands halber nicht zu wünschen wagten, doch eigentlich schon länger dringend nötig hatten? Also, wann war die Bescherung wirklich eine?

Da holen wir uns doch gern das eine oder andere erfreuliche und ansehnliche Geschenk im amerikanischen Millionärshaushalt in Erinnerung. „Als wir morgens mit dem Dampfer in Bermuda ankamen, waren als Erstes ihre Masten und Rahen zu erkennen. Das in Hamilton ankernde Schiff selbst sah ich erst später“, notierte Marjorie Merriweather Post über ihre erste Begegnung mit ihrem Geschenk, einer ansehnlichen Viermastbark. Sie war schwarz, ihre vielen Segel wurden von 72 adretten Matrosen bewegt. „Great Kicks“, erinnerte sich Mrs. Merriweather Post.

Die Löhne waren niedrig

Mit ihrem zweiten Ehemann, dem New Yorker Börsenkaufmann Edward Francis Hutton, hatte sie die väterliche Frühstücksflockenfirma in den Lebensmittelkonzern General Foods verwandelt. So ließ er für sie bei der Kieler Friedrich Krupp Germania Werft ein passendes Segelspielzeug bauen. Als cleverer Schenker wusste Hutton, wo es die dollste Sache für vergleichsweise kleines Geld gibt. Die Löhne waren niedrig, die Reichsmark war weich und der Dollar strong. Das Präsent wurde wie der private Eisenbahnwaggon und die vorigen Yachten des Hauses „Hussar“ genannt.

Natürlich bleibt der Verdacht, der begeisterte Segler habe sich mit dem Boot auch ein klein wenig selbst beschenkt. Doch tun Männer das bei besonderen Anlässen wie Weihnachten, Geburtstagen und zur Abwechslung zwischendurch nicht eh? Nachdem Hutton seine Frau bereits zuvor an Bord seines 62-Meter-Zweimasters mit den Sonnenseiten des Yachtlebens bekannt gemacht hatte, lag die neue „Hussar“ einfach in der Luft.

Außerdem hat so ein richtig dicker Schlitten nur Vorteile. Er schaukelt kaum und wenn überhaupt, dann majestätischer. Er ist schneller und hinterlässt beim Publikum am Ankerplatz einen bleibenden Eindruck. Nicht zuletzt trägt sich der Schenker mit einer gekonnten Gabe ins Geschichtsbuch anekdotenreicher Präsente ein. Klappt das mit einer Packung Weinbrandbohnen?

Ferienhaus im spanischen Stil

Nach den ersten „Kicks“ hatte Frau Post viel Freude an ihrem Schiff. Begüterte Menschen richten sich ja gern öfter mal neu ein. Dem neuen Zuhause am Central Park und dem Zweitwohnsitz auf Long Island mit amerikanisch vielen Zimmern im Tudor-Look war in den zwanziger Jahren Mar-A-Lago in Palm Beach für die unwirtlichen Wintermonate gefolgt. Das Ferienhaus im diesmal spanischen Stil hatte richtig viele Zimmer und einen kleinen Golfplatz.

Die Kajüten der schwimmenden Residenz wurden im Stile Ludwigs XIV. mit Badezimmern aus Carraramarmor und echtgoldenen Wasserhähnen eingerichtet, so wie es Sonnenkönige und reiche Amerikaner mögen. Mrs. Merriweather Post hatte während unterhaltsamer Kreuzfahrten nach Monaco, zu den Galapagos-Inseln und nach Hawaii so viel Freude an ihrem schwimmenden Zuhause, dass sie das prächtige Geschenk nach auch der Trennung von ihrem Mann behielt. Sie ließ es weiß streichen und nannte es „Sea Cloud“. Und weil das schöne Schiff seit 80 Jahren begeistert, segelt es noch heute.

Nun ist so ein Rahsegler von der Anschaffung her und hinsichtlich der laufenden Kosten nicht jedermanns Sache. Die Liegegebühr, die Heuer für die Besatzung, die vielen Matrosenanzüge und die gelegentlich zu erneuernde Segelgarderobe können einen erdrücken wie der Anker und die dazu gehörige Kette eines solchen Geschenks. Doch geht es auch kleiner.

Frederick Bedford beispielsweise hatte als Direktor der Standard Oil Corporation einen etwas enger geschnürten Geschenkeetat. Als seine Enkelin Lucy den versierten Segler Briggs Cunningham heiratete, bekam sie nicht etwa das übliche, sondern ein vorzeigbares Schiff mit in die Ehe. Bedford hatte einen Zwölfer vom jungen New Yorker Yachtkonstruktionstalent Olin Stephens zeichnen und in der Nevins-Werft, einem damals führenden Lieferanten von Regattabooten, bauen lassen. Lucy Bedfords Mitgift maß gut 21 Meter, wog 25 Tonnen und brauchte eine Elf-Mann-Crew.

Das bescherte dem Junior eine sorgenfreie Existenz

Cunnighams Vater hatte William Procter and James Gamble die Entwicklung von schwimmender Seife finanziert. Das bescherte dem Junior eine sorgenfreie Existenz. Er nutzte sie unter anderem zur Erfindung des nach ihm benannten Großsegel-Vorliekstreckers. Bedford hatte sich einfach Gedanken gemacht, was der Bursche so braucht und mit welcher Hardware er sich auf der Regattabahn weiterentwickelt. An Deck waren die ersten Coffeegrinder zum Betrieb der Vorsegelwinschen installiert. So ein Geschenk ist doch interessanter als die normal langweiligen Verlegenheiten, oder?

Die lindgrüne „Nyala“ gehört heute stilsicher restauriert zum Segelrennstall des Mailänder Modekaufmanns Patrizio Bertelli. Der als Choleriker gefürchtete Prada-Boss hockt ab und zu auf dem Achterdeck und übernimmt beim Segeln seines Schiffs irgendeinen kleinen, nicht unbedingt die Regatta entscheidenden Handlangerjob. Es heißt, Bertelli mache an Bord einen recht zufriedenen Eindruck. Man könne sich gar nicht vorstellen, dass er seine Angestellten im Büro mit Handys und Laptops bewerfe.

Richtige Geschenke haben einen bleibenden Wert. Sie können dauerhaft, gleich mehrere Generationen, beglücken. Es muss bloß das richtige, ein gescheites Schiff sein. Letztlich wird gemeinsame Zeit auf dem Wasser geschenkt. Es gibt nichts Schöneres, als unter den weißen Schwingen der Segel mit der Familie oder guten Freunden über das weite Blau des Meeres zu schweben.

„Germania“ bot den kaiserlichen Rennyachten Paroli

Das wusste auch Bertha Krupp, als sie den ehrgeizigen Juristen Gustav von Bohlen und Halbach pünktlich zur Kieler Woche 1908 mit einem flotten Zweimaster beglückte. Die legendäre „Germania“ bot den kaiserlichen Rennyachten Paroli, machte im südenglischen Seglermekka Cowes eine gute Figur und war ein in der Wilhelminischen Zeit geschäftlich cleveres Geschenk. Derzeit entsteht nach akribischer Rekonstruktion anhand verschiedener Quellen in einer spanischen Werft ein Nachbau des bei Miami gesunkenen Originals. Wie wir hören, handelt es sich um ein Geschenk eines segelbegeisterten Hamburgers an seine Frau. Tja, es müssen eben auch heutzutage nicht Weinbrandbohnen oder müßige Biographien sein. Und damit es Heiligabend beim Blick unter die Fichte nicht so leer aussieht, empfiehlt sich ein Modell oder ein Buddelschiff.

Ungerechterweise erbt nicht jeder eine Frühstücksflockenfirma oder ein paar Stahlwerke. Und nur wenige verfügen heutzutage über das Geschick, in einträglichen Branchen das große Rad zu drehen. Na, da muss halt auf kleinere Überraschungen ausgewichen werden, Nautical Furniture vom Kontinent der unbegrenzten Möglichkeiten zum Beispiel. Die Marine Services Unlimited im amerikanischen Bundesstaat Michigan restauriert eigentlich klassische Motoryachten, baut aber zur Überbrückung der neuerdings auch bei uns wieder harten Winter den sogenannten „Lovedesk“ und „Loveseat“, einen liebevoll marinisierten Schreibtisch und dazu passend, eine ins Heck eingelassene Couch.

Wie beim venezianischen Wassertaxi

Möglicherweise werden die Möbel nicht in jedem Haushalt mit ungeteilter Begeisterung ausgepackt. Aber es geht ja darum, ihm eine Freude zu machen. Auch ist die Ähnlichkeit zur gehobenen Wohnzimmerausstattung der fünfziger Jahre nicht ganz von der Hand zu weisen. Auf dem Wasser aber war und ist glänzend lackiertes Mahagoni immer schön. Stoßempfindliche Kanten sind mit seewasserbeständigen und hochglanzpolierten Niroblechen beschlagen. Wie beim venezianischen Wassertaxi für den extrafeinen Pinkel gibt es gleich unter der Wasserlinie sitzende Auspuffe.

Für den krisengebeutelten Amerikaner sind die wie klassische Holzmotorboote mit Spanten gebauten Möbel mit 8000 bis 11 000 Dollar nicht ganz billig. In Euro ist die Überraschung dagegen fast schon greifbar. Wir erinnern in diesem Zusammenhang kurz an Edward Francis Hutton. Der wusste, welche Überraschung er wo kauft. Natürlich setzt sich der Verschenker oder eine der Ohnmacht nahe Beglückte einer derart marinisierten Arbeits- und Wohnzimmerausstattung dem Verdacht aus, einen Knall zu haben. Dafür sind die Betriebskosten günstig, und das Unterwasserschiff muss selten neu gemalt werden. Erfreulich ist auch, dass so ein Rußrotzer weder stinkt noch Lärm macht. Beglückt nehmen wir mit Blick auf die vertrauten Bordinstrumente Platz, ziehen die untere Schublade an der sympathisch in der Hand liegenden Klampe heraus. Da kommen die Weinbrandbohnen für nachher rein, wenn die B-Liga der Verwandtschaft schellt.

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