Arndt Georg Nissen

Wie erhebt sich ein Fisch mit kräftigem Schlag der Schwanzflosse für Sekunden aus seinem Element, pflügt eine prächtig gefiederte Segelyacht das Wasser? Solche Augenblicke, die dem Liebhaber des Meeres viel bedeuten, werden im Zeitalter moderner Fotografie routiniert geknipst.

Einer, der sich diesem Thema mit Wasser, Farbe und Pinsel widmete, war der segelnde Grafiker Arndt Georg Nis­sen. Seine Mittel: Liebe zum Metier und intime Kenntnis des Segelhandwerks, Beobachtungsgabe, schließlich eine ruhige, sichere Hand. Damit brachte A.G. oder „Age“ Nissen, wie ihn seine Freunde nannten (nicht zu verwechseln mit dem dänischen Vornamen Åge), die lebendige Darstellung von Segelyachten mit wenigen sitzenden Konturen und Tönungen zur Meisterschaft. In jedem norddeutschen Haushalt, wo die Segeltradition eine Weile zuhause ist, hängt „ein Nissen“, meist vom eigenen Schiff. Mit seinen Aquarellen löste Nissen das Dilemma des Seglers: Weil der als Handelnder Teil und Voraussetzung des Bildes ist, sieht er sein Boot unter voller Besegelung nie, es sei denn durch das Auge des Yachtporträtisten. Die Darstellung des Segelsports war die Kür seines Lebens. Nissens Pflicht waren Gebrauchsgraphik, Buchillustrationen und großformatige Wandgestaltungen öffentlicher Gebäude in Schleswig-Holstein.

1907 als Sohn des Malers Anton Nissen auf dem Land­sitz Rinkenis am Nordufer der Flensburger Förde geboren, wächst A.G. Nissen in einem parkähnlich großen, wasserna­hen Garten auf. Der Jugendliche absolviert zunächst eine Lithographenlehre bei August Westphalen in Flensburg, wo er beim Porträtisten Albert Wilhelm Voß den entscheidenden, sicheren Strich übt. „Einer der Grundzüge seiner Arbeit, die selbst dem Aquarell noch ein graphisches Element verleiht, war Nissens auf Anhieb sitzende, nie korrigierte Linie,“ meint der Nissen Freund und Leiter des Altonaer Museums, Professor Gerhard Kaufmann. 1925 beginnt Nissen an der Münchener Kunstgewerbeschule eine Ausbildung zum Gebrauchsgrafiker. Die Berliner Zeit ab ‘28 schlägt sich in Nissens Neigung zur farbenfrohen Gestaltung seiner Bilder nieder. Denn Pro­blemmaler, Interpret einer von Krisen erschütterten Existenz, einer von Unterdrückung, Verbrechen und Krieg beherrsch­ten Zeit wird Nissen nicht. Seine Themen sind und bleiben die Schönheit der Natur, die Freuden des maritimen Lebens.

Der Besitz auf Rinkenis macht Nissen trotz der wackeli­gen Künstlerexistenz unabhängig. Zugleich weiß er beschei­den zu leben. Hauptsache, er kann zeichnen und segeln, und umgekehrt. „Die Lust, ein Schiff in jeder Situation zu zeichnen und das Vergnügen zu sehen, dassso man es kann“ kommentiert er bereits 1930 seine Freude am glückenden Handwerk.

Hochseereisen, die längst Legende geworden sind, hat der „Painter“ aquarelliert. Den Krieg überlebt er (natürlich) segelnd. Zunächst mit dem Hamburger Sportsegler und Na­mensvetter Christian Nissen (alias Hein Mück), der in Canaris’ Auftrag mit beschlagnahmten Yachten Saboteure nach Irland, später Südafrika bringt. Denkwürdig auch die Überstellung der „Hamburg“ während unwirtlich gefährlicher Jahreszeit außen um Europa herum bis Triest. Nissen greift für den Bremischen Bootsbauer Ernst Burmester nicht bloß in die Schoten der Rennyacht „Ashanti“. Als Grafiker gibt er den Broschüren der Werft Gesicht. Heute käme das mindestens als „Corporate Identity“ daher. Bei Nissens schnoddriger Be­scheidenheit wäre dem lebensfrohen, gern einen guten Wein trinkenden Künstler dieser hochtrabende Begriff nicht über die Lippen gekommen.

 Seine Kunst, den Charakter einer Yacht mit wenigen Strichen und etwas Farbe zu erfassen, reift im Lauf der Jahr­zehnte zur Meisterschaft. So wie jedes Schiff seine Schoko­ladenseite hat, sein leicht geneigter Rumpf das Meer im Tal zwischen Bugwelle und Hecksee pflügt, hält Nissen diesen flüchtigen Augenblick fest. Auch die Schlimbach Chronik, ein Buch zur Erinnerung an den Nestor des deutschen Hoch­seesegelns, dem einige Abbildungen entnommen sind, hat er illustriert. Die Aquarelle künden von der Kultur des Seesegelns, der Schönheit des Yachtsports, mit seltener Begabung und einer kostbaren Aura.

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