Maskuliner Egotrip

Mal zeigen, wo der Hammer hängt: Die Shogun 50 ist eine Art segelnder Aventador. Der Blick in Messehallen und Marinas zeigt den unübersehbaren Hang zum Bequemen. Bereits mittelgroße Freizeitboote sind schwimmende Wochenendhäuser mit Küchenzeile, fließend Warmwasser, Geschirrspüler, Waschmaschine, Flachbildschirm und mindestens um das Fußende herum zugänglichem Queensize-Bett. Ab etwa 15 Metern Länge wiederholt es den Komfort, wie ihn vermögende Leute anscheinend zuhause haben.

Shogun 50

Die Branche weiß, dass die Familienerweiterung um ein schwimmendes Spielzeug allenfalls ohne Veto der Frau zustande kommt. Entsprechend wird es in Dezimeter-Schritten von Modellzyklus zu Weltneuheit aufgebläht. Fachjournalisten gehen mit Zollstöcken durch die Kajüten und vergleichen Kojenmaße. Wie der Kofferraum im Auto werden allen Ernstes Stauräume in Schapps, Schränken und Backskisten an Bord „ausgelitert“. Ob moderne Wobos (Wohnboote) segeln, läßt sich am Messestand nicht beurteilen, scheint aber angesichts des maßgeblichen Platzgesichtspunkts ohnehin nachrangig.

Da ist die „Shogun 50“ als maskuliner Egotrip eines schwedischen Seglers erfrischend anders. Anstelle des senkrechten oder vorwärts geneigten Buges fängt er mit einem rückwärts eingezogenen Vorsteven an, der den Zug des Vorstags ohne zusätzlichen Unterbau aufnimmt. Der sogenannte „Schlachtschiffbug“ erhielt zusätzlich drei eigenwillige Rippen. Das sieht nochmals anders aus und weist das Spritzwasser bei schneller Fahrt ab. Zwar ist diese Bugpartie im Schärengarten einfach nur unpraktisch, weil damit weder, wie in Skandinavien üblich, vorwärts an einer Insel angelegt werden kann, noch das Boot im Hafen über den Bug zu verlassen oder zu betreten ist. Aber herkömmlich praktische Bugformen gibt es seit Jahrzehnten schon.

Bootseigner Mats Bergryd ist, so dürfen wir die Verhältnisse zusammenfassen, finanziell aus dem Gröbsten raus und in einem Alter, wo Männer nochmal richtig Gas geben. So war er vor einigen Jahren reif für eine „Club Swan 50“. Abgesehen vom saftigen Preis hat dieses Boot der angesehenen finnischen Nautor Werft viele Vorzüge. Mit seinem rückwärts geneigten Zerstörerbug und martialischen Look fährt es bereits im Stehen. Es hat den Sexappeal eines anders gefalzten Lamborghini Aventador nebst passender Begleitung. Noch besser ist, dass es nicht bloß elend im Wind herumsteht wie üblich uncoole, von Warmduscher-Kompromissen domestizierte Hafendatschen. Man kann sich damit bei den einschlägigen Veranstaltungen, wo es landseitig unter anderem auch markante Sportwagen gibt, blicken lassen. Sie heißen Nations Trophy und finden statt, wo es Sonne, Wind, Geld und abends beim Galaempfang aparte Begleitung gibt. Vor Palma de Mallorca, Saint Tropez, Monaco oder Porto Cervo.

Nun machte der Schwede aber die betrübliche Erfahrung, dass sein neues Boot jenseits des mediterranen Club Swan-Paralleluniversums auf Dauer doch gravierende Nachteile hat. Er mußte jedes Mal telefonisch ein paar Freunde zusammenbetteln, die mit ihm Segeln gehen. Zweitens hat die Club Swan mit ihrem 3 ½ m Kiel zu viel Tiefgang für die Gewässer rings um Stockholm. Schöne Ankerbuchten und Passagen zwischen den Inseln blieben ihm verwehrt. Also ließ er Håkan Södergren und seinen Sohn Oskar ein neues Boot entwickeln, das mit angehobenem Kiel ganze 2 m tief geht. Bergryd wollte ein Dual Purpose-Boot, um den entsetzlich geschundenen Begriff des sogenannten Cruiser-Racers zu vermeiden, eines, das in der leichten Brise zwischen den Birken und Kiefern der geschützten Stockholmer Schären fährt und mit dem er bei der Gotland Runt Langstreckenregatta zeigt, wo der Hammer hängt. Auf mehreren hundert Meilen draußen auf dem offenen Meer geht es deftig zu. Es sollte sich alleine bewegen lassen, oder mit einer halben Fußballmannschaft sportlich segeln. Der hinter dem Kiel stehende Mast entlastet das Vorschiff und bietet Platz für vier handhabbare Vorsegel.

Die sogenannte Segeltragezahl verrechnet in einer speziellen Formel das Gewicht des Bootes mit seiner Segelfläche. Sie ergibt den Agilitätsfaktor. Dank konsequenter Karbonbauweise bis hin zur Kielflosse, die das 3,6 t schwere Bleitorpedo um 1 1/2 m automatisch anhebt, gelang es trotz Kielkasten und -hydraulik das Nettogewicht des Bootes mit 7,9 t unter dem der Swan zu halten. Die Segeltragezahl von annähernd 6 mit Großsegel und Fock ist wie bei der Swan ein kerniger Regattabootwert. Mit dem Am Wind-tauglichen Code-Zero, wie das heute übliche sehr große Vorsegel genannt wird, geht der Agilitätsfaktor mit 7,4 durch die Decke. Damit segelt die „Shogun 50“ wie ein Aventador mit 700 PS Mittelmotor fährt.

Der schwedische Bootsbau ist bisher überwiegend für gemächliche und yachtbaulich altbackene Tourenboote bekannt. Für diese Sonderanfertigung nun schlägt die seit 1886 bestehende Rosättra-Werft in Norrtälje neben ihrer Linjett-Range hübscher Tourenboote ein neues Kapitel auf. Unter der Projektleitung von Daniel Gustafsson, einem der drei Brüder, die die Rosättra-Geschichte gerade mit yachtbaulich interessanten Leuchtturmprojekten wie diesem fortschreiben, entstand die „Shogun 50“ aus Epoxidharz verklebten Karbon-Gelegen und Eichenfurnier über Dinvycell Schäumen unterschiedlicher Dichte. Marström Composite, mit Hightech-Komponenten für Grandprix-Boote schon eine Weile im Thema, trug mit der leichten Doppelruderanlage, dem Kiel und Rigg bei. Die Kielflosse aus Karbon anstelle eines Stahlprofils sparte gut 300 Kilo, die als Bleiballast ganz unten besser untergebracht wurden als darüber. Weitere ortsansässige Spezialisten halfen den Gustaffsons, das yachtbauliche Level ins 21. Jahrhundert zu heben.

Für 1,7 Millionen Euro (inkl. Mehrwertsteuer) bauen die Schweden die „Shogun 50“ nochmal – mit Rippen am Bug, sechs Kojen, einem Toilettenraum und farblich hoffentlich anderen Postern. Man bekäme dafür ein SeBo, ein Segelboot. Wie sich es im Vergleich zur „Club Swan 50“ macht, bleibt ebenso offen wie die Frage, ob die spezielle Form auch in einigen Jahren noch gefällt.

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