Die Arche Palma

Luca Bassani, der Quer- und Vordenker des Yachtbaus, kommt auf verblüffende Ideen. Viele seiner Entwürfe werden tatsächlich verwirklicht. Vielleicht sogar sein neuester Streich, ein Luxus-Tanker als private Arche namens „Wally Island“.

Gletscher und Polkappen schmelzen, die Pinguine gehen bei steigenden Temperaturen immer öfter baden, die größte dänische Insel Grönland ist ein einziger Golfplatz. Die Skiausrüstung werden wir nicht mal bei Ebay los. In mancher Gegend regnet es häufiger als bislang von Lüdenscheid, dem Kieler Stadtteil Düsternbrook oder dem schottischen Oban bekannt. Nokia stellt wieder Gummistiefel her. Zwischen Flensburg und Kreuzlingen gilt flächendeckend Tempo 30. Sylt, das Gogärtchen und noch schönere Paradiese sind Watt.

Da kann man nur noch die Arche entern, mit der Familie und echten Freunden, Vorräte und Sprit bunkern, etwas Spielzeug einpacken und ablegen. „Wally Island“ hat sich der fünfzigjährige monegassische Yachtentwickler Luca Bassani ausgedacht, den wir Anfang der neunziger Jahre an einer Bootsbaustelle kennenlernten. Damals hielten wir den Junior einer italienischen Industriellenfamilie, wie er von Lugano kommend mit seinem dunkelgrünen Hubschrauber in der Nähe von Brescia landete, für einen jener vermögenden Spinner, die mit grenzenlosem Selbstbewusstsein und starken Sprüchen mal eben die Branche umkrempeln wollen, eine Menge Geld verbrennen und bald sang- und klanglos die Segel streichen. Man kennt das auch aus dem übrigen Wirtschaftsleben.

Da geht eigentlich nur noch eine Arche

Bis heute stellt der Chef von Wally Yachts alle zwei Jahre ein abgefahrenes bis erschütterndes Rendering vor, das meistens auch gebaut wird. Denn Bassani weiß aus eigener Anschauung, was Leute, die bereits alles haben, demnächst brauchen. In den vergangenen fünfzehn Jahren hat er eine Flotte verblüffend zweckmäßiger, konzeptionell bemerkenswerter und notorisch andersartiger Segel- und Motorboote vom Stapel gelassen und der Branche bis ungefähr 2020 Arbeit zum asiatischen Blaupausen-Engineering, in schlichtem Deutsch Nachmachen genannt, gegeben.

Die von kleiner Crew handhabbare Segelspaßmaschine gibt es von der 18,50 Meter langen „Wallyño“ bis zur 44 Meter großen „Esense“ in mittlerweile 31 Exemplaren. Die Motoryacht hat er die vergangenen Jahre 52 Mal als rauhwassertaugliches Batmanboot dekliniert, vom zehn Meter langen „Wallydinghy“ bis zur 36 Meter langen „Wallypower“. Was kann einer, der in kurzer Zeit einen Namen der amerikanischen Hanna-Barbera-Zeichentrickfilme zum Begriff für stilsicher italienische und smarte Bedürfnisbefriedigung auf dem Wasser gemacht hat, noch vom Stapel lassen? Eben – da geht eigentlich nur noch eine Arche.

Private Kreuzfahrt ohne Gedränge am Buffet

Bassani nennt sie „Wally Island“, was etwas irreführend ist, weil die Arche sich nach dem bewährten archimedischen Prinzip auch bei Weltuntergängen und sintflutartigen Regenfällen automatisch dem Wasserstand anpasst, was Inseln bekanntlich nicht so gut können. Das ist in Zeiten praktisch, wo wenig bleibt, wie es angeblich immer war. Auf 99 Meter Länge und 18 Meter Bootsbreite entsteht dabei durchaus die Illusion einer Insel, wenn man beispielsweise in der aparten Gartenlaube zwischen Palmen und Rhododendren die Zeitung aufschüttelt, das Notebook aufklappt und mal nachguckt, was sich derzeit auf dem Festland so abspielt, wo es, wie Hans Magnus Enzensberger bereits im vergangenen Jahrtausend prophezeite, angesichts Überbevölkerung auf schrumpfenden Landmassen bald nur noch Stehplätze gibt. Wir erinnern uns von Opernbesuchen aus unserer Schul- und Studienzeit, wie unbequem das sein kann und wie beschränkt die Sicht.

Wie befreiend ist es dagegen auf der Arche: ringsum nichts als das tiefe Blau des Horizonts. Weit und breit niemand, der blöde Blätter liest, mit Banalitäten über die Talkshow von gestern Abend nervt, ein Fachgespräch über Fuß-, ersatzweise Handball anzetteln möchte. Während wir darüber nachdenken, ob die Erde nicht doch eine Scheibe ist, und der Steward noch mal Tee einschenkt, atmen wir die aromatisch frische Seeluft. Eine private Kreuzfahrt ohne Gedränge am Buffet. Im Schiffsbauch, diesmal aus Stahl und nicht aus Kohlefaser, lagern 750 Tonnen Sprit, was nicht ganz zum Abwettern der Sintflut langt, jedoch für fünf Jahre mittelmeer- oder karibiküblicher Nutzung, etwas tuckern und viel ankern, durchaus.

40 Millionen Euro, einschließlich Palmen

Wenn der Schwiegermutter das Reizklima auf hoher See und an Bord nicht mehr bekommt, es zu viel wird mit der ganzen Wellness, den Palmen und dem Rhododendron, wenn die Frauen mal dringend zum Powershoppen an Land müssen, brummen sie mit einem der strahlgetriebenen Beiboote nach Portofino, Monaco oder Antibes. In den Boutiquen wird sich schon was finden. Platz für die Beute gibt es in den begehbaren Kleiderschränken der 200 Quadratmeter großen Eignerwohnung, den Gästesuiten und Appartements auch.

Wir vergnügen uns derweil mit einem der Segelboote, die in der Spielzeugabteilung des Achterschiffs bereitstehen. Manchmal braucht die Besatzung einer Arche im Format eines Frachtschiffs etwas Abstand voneinander. „Im Schutz der Brücke ist Platz für einen herkömmlichen giardinetto, wo der Eigner und sein Koch Gemüse und Kräuter züchten können.“ Bassani hat einfach an alles gedacht. 40 Millionen Euro soll das insulare Glück kosten, einschließlich Palmen.

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