St. Kilda
Die Bewohner von St. Kilda fühlten sich wie im Paradies. Sie lebten fernab der Zivilisation in einer idealen Gesellschaft. Dabei waren die sturmzerzausten Inseln im Atlantik kein Schlaraffenland.
Mitten in Edinburgh, an der Ecke Charlotte Square und Young Street, im muffigen Tiefparterre des National Trust for Scotland, steht eine kleine, schwarze Blechbox des Earl of Dumfries. Zwei abgegriffene Exemplare der Heiligen Schrift auf Gälisch liegen darin, Briefe, Tagebücher und eine abgeschnittene Vogelkralle. Das ist alles, was von der Haushaltsauflösung einer ganzen Insel übrig geblieben ist. Viel mehr hatte der Earl of Dumfries, der letzte Eigentümer des Archipels, nicht in den Händen, als er die Inseln der schottischen Nationalstiftung vermachte. Die meisten Bewohner sind tot. Gestorben im Exil, in das sie 1930 gehen mussten.
Dass die Inselgruppe draußen im Atlantik, 110 Meilen vom Festland entfernt, überhaupt Heimstatt für Menschen sein kann, wollte lange Zeit niemand so recht glauben. Waren doch schon die schottischen Highlands ein nasskaltes Armenhaus, die Lebensbedingungen im feuchten, vom Wind zerzausten Norden hart. An der Nordwestküste der Britischen Insel zerfranste die zivilisierte Welt, sie kapitulierte vor der Natur. Dort begann das unberechenbare Meer, das Reich der Stürme. Ausgerechnet dort draußen, auf den Steinen am umtosten Horizont, auf den Inseln Hirta, Soay und Boreray, sollten Menschen leben?
Barfuß im Regen
Schilderungen Schiffbrüchiger nährten die Vorstellung vom eigenartigen Leben auf dem Archipel. Ohne jedes Einkommen würden die Leute dort hausen. Auf der einzig bewohnten, der baumlosen Insel Hirta fänden sie ohne Boote, ohne Fischfang ihr Auskommen. Das Rad sei ihnen nicht bekannt. Leder und Glas hätten sie auch nicht.
Auszug aus Mare Heft 31. → Artikelbeispiele