60 Knoten Treibsatz

Nachmittag im Port Hercule. Ein seltsames Objekt nähert sich Monaco. Irritiert vom Lärm der grollenden Triebwerke legen Passanten ihre Hand an die Stirn und blinzeln zur Hafeneinfahrt. Ein seltsam kantiges Gefährt mit prismenartigen Aufbauten in der Form einer Spiegelreflexkamera treibt herein. Gelegentliche Schübe unter dem Heck hervorstiebenden Wassers halten es auf Kurs. Ein 60-Knoten Boot langsam fahren ist schwer. Niemand ist hinter der abgedunkelten Verglasung zu erkennen. Hinsichtlich der Besatzung gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder zeigen sich da drüben gleich grüne Männchen, oder James Bond.

Das markant anthrazitfarbene Geschosser halten wir hauptsächlich deshalb für ein Boot halten, weil es schwimmt. Der 16.800-PS-Treibsatz ist das neue Meeresspielzeug des monegassischen Yachtweiterentwicklers Luca Bassani. Nun hat Monaco schon die eine oder andere erschütternde Yacht gesehen, sowas noch nicht. Zwischen Belle Epoque Fassaden und modernen Hochhäusern beherbergt der größte der drei Häfen des Bonsai Fürstentums so manche schwimmende Bettenburg irgendwelcher Wüstensöhne im Kreuzfahrtschiff Format, Larry Ellisons Blohm & Voß Privatschlachtschiff Katana mit Basketball Korb auf dem Achterdeck. Und die üblich weißen, von amorphen Aufbauten überwölbten Wuchtbrummen mit verglaster Schiebetür, farbenfroher Kunst in der Kajüte, Blumenvase und Sitzgruppe auf dem Achterdeck. Wer im Heimat- und Vorzeigehafen der Grimaldis auffallen will, legt anders an, mit einem vor- statt nachgemachten Boot.

Als Erbe der italienischen Elektroartikelfabrik BTicino und Inhaber weiterer Firmenbeteiligungen ist der 46-jährige Luca Bassani Antivari von der lästigen Pflicht des Geldverdienens freigestellt. Seit Bassani als Kind in eine auf dem Familienpool schwimmende Jolle gehoben wurde, vertreibt sich der Spross des norditalienischen Geldadels mit einem Feriendomizil in Portofino mit Booten, Segelregatten, nationalen und Weltmeistertiteln die Zeit. Bassani nutzt seinen Spielraum, denkt sich abgefahrene Jachten wie diesen ausreichend motorisierten 36-Meter-Schlitten aus.

Ein mittelgroßer energetischer Italiener, Igelschnitt, Dreitagebart, zwischen April und Oktober am ehesten barfuss an Bord seines aktuellen Neubaues anzutreffen. Alle drei Jahre beglückt er die Yachtszene von Riviera und Côte mit einem gewöhnungsbedürftigen schwimmenden Untersatz.

Wally ist seine Marke, seine Welt. Die fünf aus dem amerikanischen Comic „Hanna and Barbera“ stammenden Buchstaben zieren sogar seinen Hosenbund, da wo andere Boss, Joop oder Windsor stehen haben. Wenn es sein muss, trägt Bassani auch Bootsschuhe, an regnerisch-kühlen Tagen einen farbenfrohen Blouson. Das Enfant Terrible der Yachtszene lässt keine Gelegenheit aus, seinen Ruf zu behalten. Ein großes Kind, allerhand Ego im Mann. Ein finanziell und geistig unabhängiger Mensch, mehr Unternehmer als Unterlasser. Vor allem ein Weglasser. Bei Bassani bleibt alles an Land, was kein klar denkender Mensch an Bord braucht, weil er es zuhause schon hat. So hat er es Anfang der Neunziger gemacht, als der ambitionierte Rennsegler die erste Sonderanfertigung für seine wachsende Familie vom Stapel ließ, sie „Wallygator“ nannte und beim Regattadebüt vor Saint Tropez selbst hochkarätigen Rennyachten die Liegewiese seines Achterdecks zeigte.

Er redet leise, mit sanfter Stimme und entscheidet schnell. „Vor einigen Jahren fragte mich ein deutscher Kunde, wann ich mein Konzept agiler, funktional aufgeräumter Segelyachten auf ein Motorboot übertrage.“ Warum nicht, dachte Bassani, hockte sich bei nächster Gelegenheit mit Papier und Buntstiften zu seinen drei Kindern und erkundigte sich, wie ihrer Meinung nach ein schnelles Motorboot aussehen müsste, natürlich nicht irgendeins, sondern eben das allerschnellste. Es gibt fixe Ideen, die bespricht ein strategisch vorgehender Mann zunächst besser nicht mit der Frau. Die Bassani-Bambini quasselten los und malten um die Wette. Heraus kamen die Skizzen eines Batman-Bootes, schwarz wie die Nacht, mit einer Kajüte so eckig wie der Prismenträger einer Spiegelreflexkamera. Zum Fürchten anders – genau das, was Bassani immer macht. Er ist ein Fuchs der Alleinstellung.

Anfang der 90er beginnt er vergleichsweise zivil, mit Segelyachten. 1991 lässt der versierte Regattasegler mit mehreren Mittelmeer-, Europa- und Weltmeistertiteln in verschiedenen Bootsklassen die erste Sonderanfertigung für seine wachsende Familie vom Stapel, die 25 Meter lange „Wallygator“, und gründet 1994 in Monaco mit Wally Yachts den Betrieb zur Pläsier. Das nächste Boot macht klar, wohin Bassanis Reise geht: Der Weg weisende 32-Meter-Zweimaster ist gespickt mit Novitäten wie gezielt für Hafenmanöver aus Bug und Heck ausfahrbaren Propellern, welche das Gefährt handlich wie einen Hafenschlepper machen, oder den durch eine Unterwasserpforte mit günstigem Schwerpunkt ausgesetzten Anker. Bassani entwickelt grundsätzlich nur Boote, die fahren, über die man circa ein Jahrzehnt redet und über welche das Publikum augenblicklich geteilter Meinung ist.

Die Verdrängung von 50 statt bislang üblicher 100 bis 150 Tonnen bietet interessante Performance. Leistungsgewicht, das Verhältnis von Antrieb zum Eigengewicht ist nicht bloß beim Fahren oder Fliegen, sondern auch beim Segeln der maßgebliche Mobilitäts- und Spaßfaktor. Das aufgeräumte, von üblicher Segel-Hardware entrümpelte Deck erlaubt barfüßiges Segeln, auf herkömmlichen Booten ein Zehen schindender, verpönter Brauch. Das Glattdeckkonzept beglückt mit dem exquisiten, seit den 30er-Jahren vergessenen Gatsby-Gefühl elementaren, aufs Wesentliche reduzierten Segelsports. Über die geneigten Decks der Rennyachten der Morgan und Vanderbilt erhoben sich von der Jahrhundertwende bis in die 30er-Jahre die Takelage, das Steuerrad und der Boss.

Rascheln, Plopp und Wumm

Eine 20- oder 30-Meter-Wally ist praktisch so rasant von einem Mann zu bewegen, wie ein Regattasegler ein wieselflinkes Dreimannkielboot um die Bojen scheucht. Mit Rascheln, Plopp und Wumm, den drei Geräuschen eines flott absolvierten Wendemanövers, geht eine Wally durch den Wind. Sie hat wenige Strippen und macht viele Knoten.

Dass man Boote al gusto wie ein Auto in einer ausgefallenen Farbe lackieren kann, gehört zu den Wagnissen, die Bassani auch eingeht. Bislang waren Yachten weiß, dunkelblau, vielleicht auch schwarz oder dunkelgrün. Alles andere galt als modisch, gewagt bis daneben. Natürlich kleidet sich der Stil bewusste Italiener an windigen Tagen zur metallic-karotten- bis kupferfarbenen „Tiketitoo“, mit passendem Blouson zum Boot. Das einzige, was bei einer Wally noch herkömmlich anmutet, sind die unter Vakuumdruck mit Epoxidharz verklebten Teakplanken. Die traditionell schwarze Fugenvergussmasse ersetzte der Wahlmonegasse neulich durch eine cremefarbene Mischung. Das „wirkt freundlicher. Außerdem heizt sich helle Dichtmasse nicht so auf,“ erklärt der Praktiker und überzeugte Barfüßler.

Die mittlerweile 23. Wally-Segelyacht kommt mit vier statt den 17 Winschen der ersten „Wallygator“ aus. Heute hält Wally im begehrten Segment großer Regatta- und Sommerurlaubstauglicher Segelyachten ab 24 Meter (80 Fuß) einen Marktanteil von 40 Prozent. So hat sich der Newcomer neben etablierten Edelmarken der Finnischen Nobelwerften Baltic und Nautor/Swan durchgesetzt. Neulich rundete Bassani die Wallywelt mit einem 18 Meter langen, von der 60 Füßigen Whitbread Round the World Rennklasse inspirierten Einsteigermodell namens Wally 60 nach unten ab. Es sieht gewöhnungsbedürftig aus, ist als handliches Tagesausflugsboot gerade mal mit der nötigsten Technik für eine kesse Bootspartie ausgestattet, segelt bereits bei leichter Brise wie der Teufel und kostet 2,2 Millionen Euro. Eine 80 Füßige Wally ist für 4,75 Millionen zu haben.

Es gibt geduldigere Menschen als Bassani, der seine Ziele meist direkt ansteuert. Als Hobbypilot lenkt er seinen natürlich wally-dunkelgrünen Eurocopter der Dauphin-Serie selbst. Ungefähr so gern fährt er Auto, von einem Ferrari 456 abgesehen gern deutsche Fabrikate. Auf die Lieferung seines Touareg im bevorzugten Dunkelgrün mit beigefarbener Innenausstattung mochte er nicht warten. Den V10 Diesel wollte Bassani recht plötzlich, weshalb er den Wagen in einer rasch erhältlichen Farbe nahm.

Bei der Motorenwahl gab es keinen Kompromiss. Der Zehnzylinder habe „the highest torque in the fleet“ bringt Bassani die Sache auf den Punkt: für ihn zählt das starke Drehmoment. Da ist er wieder, der klare Blick auf des Pudels Kern in Sachen Mobilität und Fahrspaß, das Leistungsgewicht. Wer vorankommen will, braucht Drehmoment, basta: an Bord draußen vor der Côte, im Touareg auf den Serpentinen der südfranzösischen Seealpen, den Sträßchen des Piemont oder auf der abwechslungsreichen Via Aurelia, die der rastlose Zeitgenosse heute als E80 vor die Kühlerhaube nimmt.

Der Mobilitätsmensch mag „das Gefühl, bei angetipptem Gaspedal in den Sitz gedrückt zu werden, Komfort und Übersicht,“ zugleich die „Kraft bereits im unteren Drehzahlbereich.“ Gegenüber der Porsche-Schwester bevorzugt der Ästhet die „klare Formen Sprache.“ Erst kommt die konzeptionelle Entscheidung, dann das Detail: ein „wallygrüner“ Touareg wird sich wohl noch finden.

Natürlich gelangt Bassani im drehmomentstarken Sports Utility Vehicle auch ganz flott zum Feriendomizil nach Portofino. Doch ist die Querung des ligurischen Meeres vor einer weißen Gischtfahne auf direktem Weg im aktuellen Batman-Boot schwer zu toppen. Nach dem kernigen 60-Knoten-Ritt bleibt noch Gelegenheit für eine erfrischende Stippvisite in der Badebucht von San Fruttuoso. Der große Junge braucht nach dem Ankern nicht mal die Schuhe ausziehen.