Thomas Bscher: Open Season reloaded

Jeder ehrgeizige Segler kennt das. Es läuft ganz gut, dennoch bleibt der Eindruck, da ginge noch was. Also fragte Eigner Thomas Bscher den von Admirals und America’s Cup Regattabahnen und mit den Finessen anspruchsvoller Vermessungen von IOR bis IRC versierten Konstrukteur Rolf Vrolijk.

Vrolijk war ohnehin im Thema. Sein Bremerhavener Büro Judel/Vrolijk & Co. hatte das erste Exemplar der WallyCento Klasse entworfen. Das Boot hieß zunächst „Hamilton“, seit der Übernahme durch Bscher „Open Season“. Bei der WallyCento handelt sich um eine Box Rule verschiedener Grenzmaße, bei der unter anderem die maximale Länge von 100 Fuß (30,48 m) nicht überschritten werden darf.

Vrolijk ging eine Saison mit Bscher segeln. Er sah sich seine 2012 eingewasserte Konstruktion in der Praxis, auch dessen tatsächliche Schwimmlage gründlich an und die Bedingungen, bei denen der exklusive Zirkel der Wally-Eigner seine Regatten aussegelt. „Vor Palma oder Porto Cervo wird meist bei 6 bis 20 Knoten Wind gesegelt. Die Up und Down-Kurse absolvieren die Boote mit 8 bis 16 Knoten.“ Diese Art der Bestandsaufnahme macht Vrolijk immer, ganz gleich um welche Aufgabenstellung, welchen Bootstyp und welches Rennen es sich handelt. „Anhand dieser Matrix von 7 bis 9 Regatten, die die Wallys segeln“ machte Vrolijk mehrere Studien, um innerhalb der IRC Vermessung den besten Mix aus Zeitfaktor und Geschwindigkeitszuwachs auszutüftlen. Nach Erörterung der Möglichkeiten mit Bscher begann er mit der Optimierung. Dabei war klar, dass das WallyCento Reglement verlassen wird. Open Season wurde zum 107-Füßer.

Das Boot erhielt mit dem um 80 Zentimeter von 6,20 auf 7 m abgesenkten Ballast mehr Stabilität. „Das war mit einem gründlichen Blick in das CAD Programm und einer längeren Kielfinne einfach“ so Vrolijk.

Die zweite Maßnahme war die Verlängerung des Bootes. „Bei der WallyCento handelt es sich um Boote mit der maximalen Wasserlinienlänge. Das heißt der Konstrukteur zeichnet im Prinzip einen längeren Rumpf und schneidet ihn dann achtern regelkonform ab. Das hat den Nachteil einer relativ großen wasserbenetzten Fläche am Heck. Dieser macht sich bei leichtem Wind bemerkbar“ erläutert Vrolijk.

„Im Grunde haben wir dieses fehlende Stück mit einer Art Spoiler drangehängt. Der Spoiler ist 2,10 m lang, verlängert die effektive Wasserlinie und gibt dem Boot bei Wind eine größere Grundgeschwindigkeit. Das 300 Kilo schwere Faserverbundteil wurde bei Green Marine, der Werft, die „Hamilton“ 2012 gebaut hatte, gefertigt und an das in Palma aufgebockte Boot laminiert. Zwecks Aufnahme der erheblichen Zugbelastung aus den nach hinten versetzten Backstagen mit entsprechender Biegebeanspruchung des gesamten Rumpfes waren die Längsträger (Stringer) und Übergänge am Rumpf überlegt abzuschneiden und für den neuen Laminataufbau vorzubereiten. Das dem Boot am achteren Ende zugefügte Gewicht wurde durch gezielte Entnahmen und vereinfachte Hydraulik gezielt ausgeglichen. So blieb der Längstrimm erhalten.

Die dritte Maßnahme war die Beschäftigung mit der Segelgarderobe, insbesondere der Segelgeometrie. Hier galt es den IRC Rennwert zu schonen, das heißt die neue „Open Season“ besser zu motorisieren, ohne das es gegenüber dem ursprünglichen Boot zu gravierenden Zeitstrafen kam. Dank näherer Beschäftigung mit dem Mastfall und der Mastbiegung erhielt „Open Season“ mit besser überlappenden Vorsegeln 10-20 qm mehr Tuch. Das machte Vrolijk in bewährter Zusammenarbeit mit Henrik Söderlund von North Sails Dänemark.

Weil es mit der optimierten Hardware allein nicht getan ist und das Boot vom Start weg ausgezeichnet gesegelt werden muß ist Jochen Schümann als Taktiker, Souffleur und Segel-Steuerberater bei den Regatten an Bord. Das die ausgedachten Maßnahmen über die Stärken einer Neukonstruktion oder Modifikation auch auf dem Wasser genutzt werden, ist seit jeher Teil der Erfolgsgeschichte von Judel/Vrolijk & Co auf den Regattabahnen.

„Wenn es da nicht von vorherein läuft und das Boot nicht vom Start gut wegkommt, wird es schwer“ berichtet Vrolijk, der ebenfalls regelmäßig dabei ist. Denn die Maßnahmen führten zu einer um 20 Punkte nachteiligen Vermessung. Das heißt auf dem Wasser das innerhalb einer Stunde 70 Sekunden schneller gesegelt werden, um das Rating auszugleichen. Das verlangt vom Start weg freie Fahrt ohne störende Abwinde oder Scharmützel mit eigentlich langsameren Booten.

Vrolijk sieht sich nach wie vor an, ob und wie das Konzept für Bschers „Open Season“ aufgeht. „Das ist ein fortlaufender, kein abgeschlossener Prozess.“ Die vergangenen Segelsommer jedenfalls schlug sich die getunte „Open Season“ als schnellste Wally ausgezeichnet. Manchmal muß man das Reglement einer bestimmten Klasse (hier der WallyCento) einfach verlassen, um auf der Regattabahn vor Palma de Mallorca, Porto Cervo oder Saint Tropez vorne zu segeln. Der frühere Bankier, Bugatti-Manager und Rennfahrer Thomas Bscher ist ehrgeizig. Der will nicht bloß spielen. Die Maßnahmen haben sich für den Präsidenten der International Maxi Association gelohnt.

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