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Auf die Spitze getrieben

Eigentlich ist der gebürtige Bochumer Otto Happel ein Segler wie jeder andere. Ganz gleich wie interessant, schön, schnell oder komfortabel die vorhandene Yacht gerade ist. Ein richtiger Segler träumt immer vom nächstbesseren und natürlich größeren Schiff. Bootseigner verfügen über reichlich Phantasie, wie ihre nächste Yacht aussehen könnte. Im Unterscheid zu den meisten Seglern kann Happel seine Träume verwirklichen. Anfang der Neunzigerjahre ließ er bei der Abeking & Rasmussen Werft im Bremen eine ansehnliche Holzyacht tischlern. Entworfen hatte sie der amerikanische Traditionalist Bruce King mit verwegenem Klipperbug, geneigten Masten, antiquiert kastenförmigem Deckshaus, ovaler Sitzmulde und Spielereien wie achteckig verglasten Skylights. Den Vogel schoss der geschwungen zum Deck hin abgerundete Heckspiegel aus klar lackiertem Mahagoni mit umlaufender Goldbordüre ab. Das war nicht bloß retro. Das war King, der das selbstbewusste Kapitel amerikanischer Yachtkonstruktion im Kielwasser Lewis Francis Herreshoffs Ende des 20. Jahrhunderts fortschrieb. Der elegante, als Ketsch getakelte Zweimaster sollte aus emotionalen Gründen komplett aus Holz getischlert sein. Und weil die bremischen Bootsbauer frei nach dem weithin bekannten Toyota Spruch am linken Ufer der Weser auch als unmöglich geltende Sachen machen, tischlerten sie dem cleveren Erben der Gesellschaft für Entstaubungsanlagen (GEA) nach einem einträglichen Börsengang seiner Aktiengesellschaft damals mit 43 Metern Länge die größte Mahagoniyacht der Welt. Schiffe sind Herzensangelegenheiten. Es geht um ein bestimmtes Bordlebensgefühl. Wie wir uns seinerzeit bei einem Besuch der Bootsbaustelle in Lemwerder überzeugen konnten, stellte es sich zwischen den Spänen stehend in der Werfthalle sogar neben einem ernüchternd grauen Boot der Marine ein. Das Holzschiff war damals, als sich nach dem Generationswechsel auf den Regattabahnen die Ablösung von Aluminium durch deutlich leichtere und zugfestere Faserverbundwerkstoffe auch im Luxusyachtbau abzeichnete, ein von manchem Insider belächelter Anachronismus. Die Masten und auch die Maschine wurden auf einer Art stählernem Fahrgestell montiert. Aufwändig ist auch das Rückgrat des Schiffes, ein 14 Meter langer, mit 68 Tonnen Blei gefüllter Kiel aus Marinebronze. Im mittig eingearbeiteten Schlitz sitzt ein 7 ½ Meter langes Klappschwert. Zum Segeln wird es von 3,20 auf 8,70 m abgesenkt. Nach einem erfreulichen Finale anlässlich des Maxi Yacht Rolex Cups im September möchte Happel seine „Hetairos“ nun für knapp 14 Millionen Euro verkaufen. Denn der Seglertraum einer neuen „Hetairos“ schwimmt, er segelt mittlerweile. Er beschäftigte den passionierten Blauwasser- und Vielsegler schon eine ganze Weile. Ein Segeltag an Bord einer ziemlich leichten und leeren Regattayacht aus Karbon, Epoxidharz und Schaum soll dem Wahlschweizer den Rest gegeben haben.  Zehn Jahre nach dem Stapellauf der „Hetairos“ ließ Happel bei führenden Yachtkonstrukteuren einen klassisch gewandeten Ocean Greyhound mit großer Grundgeschwindigkeit, also richtig langer Wasserlinie ausschreiben. Damit die Südsee nicht um das unwirtliche Kap Hoorn oder das Kap der guten Hoffnung herum angesteuert werden muss, sondern auf dem kürzest möglichen Weg durch den Panamakanal erreichbar bleibt, musste das Schiff bei Niedrigwasser soeben noch die 62,5 Meter hohe Bridge of the Americas bei Balboa passieren können. Die Ausschreibung gewann ein Entwurf des Amsterdamer Klassiker- und Großseglerspezialisten Gerard Dykstra. Als versierter Hochseeregatta- und Einhandsegler steht der stille Holländer bei allem Faible für traditionelle Formen für unbedingt zweckmäßige Entwürfe. Der Schonerspezialist zeichnete von Klassikern angeregte Neubauten wie „Borkumriff IV“, „Meteor“, „Windrose of Amsterdam“ oder die viel beachtete 90 Meter langen „Athena“. Man bezeichnet diese Schiffe als „Spirit of Tradition“ Yachten, weil sie traditionell anmuten, aber nach dem heutigen Stand der Technik gebaut und ausgestattet sind. Unterstützt von den kalifornischen Leichtbau und Regattayacht Spezialisten Reichel/Pugh, das Konstruktionsbüro brachte den modernen Rennyachten das Gleiten bei und zeichnete manche wegweisende große Segelyacht, wie beispielsweise den 45 m langen, ganze 105 t schweren Ultraleichtbau „Visione“ für den Walldorfer Software Kaufmann Hasso Plattner, machten sich die finnischen Kompositgurus der Baltic Werft ans Werk. Nach Jahren eines selbst „übliche“ Luxusyachtprojekte toppenden  Geheimhaltungsbrimboriums um das sogenannte „Panamax Projekt“ schob die Werft in Pietarsaari, einer Kleinstadt etwa auf halber Strecke zwischen Helsinki und dem Polarkreis, im Juli einen grünen Bootskörper aus der Halle. In den Gurten zweier Kräne hängend wurde der Rumpf mit dem jollenartig flachen Unterwasserschiff über eine zehn Meter lange Kiel- und sechs Meter lange Ruderflosse gehoben. Dann wurde das Boot mit zwei ziemlich langen Masten bestückt, von denen andernorts nach reiflicher Überlegung vielleicht einer auf einem großen Segelboot errichtet würde. Irreal wie eine Computeranimation schob sich der grüne Renner mit dem markanten Steven bereits mit Groß- und Besansegel durch das kaum vom Wind geschuppte Wasser der Schären von Piertarsaari dem bottnischen Meerbusen entgegen. Von ganz wenigen Ausnahmen wie dem Baltic Werftbau „Visione“ abgesehen sind die meisten großen Yachten seglerisch weniger interessant, weil sich der gefürchtete Kümo- oder Butterdampfereffekt einstellt. Es wird so viel Luxus verwirklicht und derart viel Material verbaut, das auch die Bootsbreite und Deckshöhe der Kontakt zum Wasser und jedes Segelgefühl verloren geht. Große Segelyachten dümpeln bei wenig Wind träge wie Luxusdatschen im Meer. Yachten vergleichbarer Länge wiegen etwa das Dreifache der 230 Tonnen dieses yachtbaulichen Meilensteins. Neben der Brückendurchfahrtshöhe bietet die zweimastige Takelage den Vorteil, die 1.700 Quadratmeter am Wind Besegelung auf mehrere, etwas handlichere Segel aufzuteilen. Man kann damit schneller auf variierende Windverhältnisse reagieren. Am Wind sollen bis zu 16 Knoten drin sein. Bei seitlichen bis Schiebewind, wo die „Hetairos“ bis zu 2.600 qm setzen kann, wird sie mit bis zu 27 Knoten mittelgroßen gleitenden Motoryachten Paroli bieten. Dykstra ist ein Freund der generösen Beseglung. „Einpacken kannst Du bei zunehmendem Wind immer“ meinte er einmal. Weit ausgestellte Achterlieksrundungen projizieren die Segelfläche oben, wo sie besonders wirksam ist. Das Boot wird mit doppelt ausgeführten losen Achterstagen gesegelt. Sie werden bedient wie ansonsten abgeschaffte Backstagen.  Die 50 Meter Wasserlinienlänge, auch der 83 Tonnen schwere Kiel, dessen Tiefgang teleskopisch beim Segeln von 9 ½ auf sechs Meter reduziert werden kann machen es möglich. Ein Beispiel seewassertauglichen Sondermaschinenbaues. Der 15 Tonnen Vorrat an Diesel und Frischwasser lässt sich gezielt auf die windwärtige Seite verlagern. Zusätzlich können 25 t Meerwasser unter die Luvseite der „Hetairos“ gepumpt werden. Wartungsintensive und notorisch störanfällige Wasserballastsysteme sind die vergangenen Jahre ein wenig aus der Mode gekommen. Doch waren das vergleichsweise übliche yachtbauliche Extras. Wie man das Karbon so um den Kielkasten legt, daß er im Fall einer Grundberührung mit angenommenen dreitausend Tonnen punktueller Belastung fertig wird, haben sich die Strukturberechnungsingenieure von SP/Gurit in Südengland gut überlegt. Fortschrittlicher Bootsbau mit minimiertem Epoxidharzanteil dank imprägnierter Karbon Prepregs, meist über Waben als Kernmaterial bei 85 Grad Celsius zu einem ultraleichten Boot „gebacken“, ist eine Spezialität der Baltic Werft. „Herkömmlicher“, einfacher zu reparierender und etwas schwererer Schaum kam nur dort zum Einsatz, wo Beschädigungen des Laminats erwartet werden. Die neunköpfige Stammcrew um den „Mari Cha III“ erprobten Skipper Vincent Fauquenoy, sie soll bei Regatten um eine Fußballmannschaftsgröße Besatzung erweitert werden, wird unterwegs und abends beim Einpacken der Segel gut zu tun haben und fluchen. Etwa sechshundert Quadratmeter dachpappenzähes Großsegel auf einem 15 Meter langen Baum zusammenlegen ist Arbeit. Die praktischen, aber klobig schweren Rollbäume der Vorgängeryacht wurden aus Gewichtsgründen ebenso wie die bei großen Yachten üblichen Ofenrohr-dicken Baumniederholer weggelassen. Der 63-jährige Happel ist vom Sipo- und Khayamahagoni Romantiker zum konsequenten Schnellsegler geworden. Neulich erhielt „Hetairos“ für Regatten den erschütternden Zeitvergütungsfaktor von 2,028. Er liegt deutlich über dem Rennwert derzeit führender Regattayachten. Dabei ist der Spirit of Tradition Segler keine nüchterne Rennmaschine. Die raffinierte Verkleidung der Waben des Hightech Leichtbaues mit Teakplanken oder Mahagonipaneelen und hauchdünnen Furnieren macht die Illusion einer traditionell getischlerten Yacht perfekt. Und wer sich das hinreißend überragende Heck ansieht, entdeckt neben einer vergleichsweise filigranen Goldbordüre rings um den Spiegel aus klar lackiertem Mahagoni einige kühn geneigte Heckbalken, wie sie Mitte des Ende des 19. Jahrhunderts bei den Booten des Royal Yacht Squadrons aus Eiche geschnitzt üblich waren und heute ganz selten, beispielsweise bei „Lulworth“ zu sehen sind. Übrigens wurde die neue Hetairos so schwer wie die alte. Sie ist nur ein wenig länger und mit mehr Ballast in neun statt drei Metern Tiefe und deutlich mehr Garderobe schneller. So weit, mit zeitgemäßer Bootsbautechnologie im antiquierten Gewand, wurde das Thema Spirit of Tradition bislang nicht getrieben.

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Leicht ist besser

Wie der altbackene Holz- und Metallbootsbau zum faszinierenden Faserverbund-Technologieschaufenster wurde. Von der Jolle aus Glasfaser-verstärktem Kunststoff bis zum 80 Stundenkilometer schnellen Tragflügel-Geschoß aus Karbon. Der Yachtsport ist eine spielerische Art des Jagens. Bei diesem Wettkampf geht es darum agiler, schneller, wendiger zu sein als andere. Nicht nur bei Grand Prix Regatten wie dem America’s Cup oder dem gerade ausgesegelten Volvo Ocean Race. Auch wenn sich Segelboote sonst begegnen erwacht bei jedem Segler der Jagdinstinkt. Er möchte gewinnen, erster sein. Wer das bessere, sprich leichtere Boot hat, ist schneller. Beim Sportwagen zählt jedes beschleunigte oder gebremste Kilo. Beim täglich genutzten Auto definiert das Gewicht den Spritverbrauch. Gleiches gilt für das Flugzeug. Je leichter, desto wirtschaftlicher und umweltfreundlicher ist es. Die bis zu 80 m langen Rotorblätter moderner Windräder können überhaupt nur in den heute üblichen Größen gebaut werden, weil sie leicht und belastbar sind. Auch beim Segelboot ist das Leistungsgewicht das Maß aller Dinge. Um das zu verstehen stellt man es sich als austariertes Gerät vor, wo die Gewichte über und unter der Wasserlinie in einem bestimmten Verhältnis stehen. Ist das Boot oben schwer, legt es sich bereits bei mäßiger Brise auf die Seite. Es kann den Wind nicht gescheit nutzen und kommt nicht voran. Bleibt das Boot oben leicht und steckt dank großem Ballastanteil viel Gewicht im Kiel trägt es die Segelfläche aufrecht im Wind. Deshalb arbeiten Materialhersteller, Yachtarchitekten, Ingenieure, Bootsbauer und auf weitere Komponenten spezialisierte Lieferanten beharrlich daran, die Boote und deren Zubehör immer leichter und belastbarer zu denken. Anhand angenommener Belastungen wird es per Finite Elemente Analyse im Rechner untersucht und später rigoros geprüft. Das Konzept leichter schneller Boote liegt bereits seit den Dreißiger Jahren in der Luft. Damals setzt sich der versierte Segler und Bootsbauer Uffa Fox im englischen Seglermekka Cowes für das sogenannte Leichtdeplacement ein. Doch ist das Material dazu, der Sandwichbau aus faserverstärktem Kunststoff über einem leichten Kern aus Balsaholz, Schaum oder Waben noch nicht erfunden. Bereits Ende der Vierziger Jahre experimentiert die für ihre America’s Cup Rennyachten berühmte Herreshoff Werft in Rhode Island mit einer Jolle aus Glasfaser verstärktem Kunststoff. Der Prototyp ist ein krudes Lowtech-Erzeugnis aus schwerem, sprödem Material. Das Potential zur preiswerten Serienfertigung und Lieferung pflegeleichter wie haltbarer Boote wird aber damals nicht erkannt. Lewis Francis Herreshoff, der Sohn des Werftgründers bezeichnet die Bauweise mit der unansehnlichen Rückseite im Rauhfaserfinish als „frozen snot“. Aus „gefrorenem Rotz“, so behauptet er, könne man keine Boote bauen. 1966, als sich das GfK-Massivlaminat gegen Vorurteile und Widerstände der Holz-, Aluminium- und Stahlbootsbauer weltweit durchsetzt, haben der Ingenieur George Cuthbertson und der Flugzeugkonstrukteur George Cassian das „frozen-snot“ Verfahren weiter entwickelt. Die cleveren Kanadier stellen mit „Red Jacket“ das erste Sandwichboot vor. Es besteht aus einem leichten Balsaholzkern zwischen der inneren und äußeren GfK-Laminatschicht. Der Siegeszug moderner Faserverbundwerkstoffe im Bootsbau ist eingeläutet. Er muß nur noch weltweit verstanden werden. Nachdem fünf Bootsbauer der angesehenen Nautor Werft vergeblich für den Generationswechsel vom schweren Massivlaminat zum intelligenten Leichtbau geworben haben machen sie sich 1973 mit der Baltic Werft selbstständig. Baltic Yachts gilt heute als erste Adresse für seglerische High Fidelity. Jahr für Jahr wird die Methode mit zugfesteren Fasern, besseren Harzen und reduziertem Harzanteil verbessert. Die gezielte Erhitzung der Epoxidharz-verklebten Bauteile gewährleistet die vollständige Verkettung der Harzmoleküle, das sogenannte Auspolymerisieren. Der Bootsbau ist vom traditionellen Handwerk mit Hobel und Schraubzwinge zur Chemiestunde geworden. Damals geht Udo Schütz im Westerwald bei Koblenz einen Schritt weiter. Er ersetzt den Schaum durch geschickt gefaltete, nochmals leichtere Aramidpappe. Er weiß, wie man die Stirnseite der dünnen Trennwände dauerhaft mit dem Laminat verklebt und sich die Waben in enge Radien schmiegen. Den unterschiedlichen Beanspruchungen wird mit der Papierstärke, der Zellweite und –dicke der Waben und auch der Dicke des außen angebrachten Laminats entsprochen. Ende der Achtziger Jahre ist er so kühn, seine 15 m Rennyacht „Container“ ohne das bislang übliche „strongback“, eine Art Fahrgestell aus Metall zur Aufnahme der zentralen Kräfte des Kiels und der Takelage zu bauen. Das Boot segelt heute noch. Damals wird der innovative Yachtbau zum Labor für andere Anwendungen wie den Flugzeugbau wo sich die Wabe längst durchgesetzt hat. Allerdings ist die Verbindung der Hightech Kunststoffe mit ihren Metallversteifungen aufgrund der unterschiedlichen Eigenschaften so problematisch, das sehr große Rennyachten vorerst noch komplett aus Aluminium geschweißt werden. Erst als die Strukturberechnungs-Ingenieure von SP-Systems in Southampton Anfang der neunziger Jahre moderne Higtech Fasern richtig zu nutzen wissen, entstehen auch große, hochbelastete Rennyachten ganz aus Komposit. Seitdem werden ernst zu nehmende Rennyachten und große Tourenyachten anspruchsvoller Segler komplett aus Aramid- oder Kohlefaser gebaut. Der Generationswechsel zur Faserverbundtechnologie vollzieht sich. Die Möglichkeiten faszinieren auch süddeutsche Segler wie Hannes Waimer, der sich zunächst an der A8 zwischen Augsburg und Ulm als Spezialist für Faserverbundfronten zu ICE-Zügen oder Zeppelin-Gondeln und als Lieferant der süddeutschen Automobilindustrie versucht. Seit einigen Jahren wird der Traum vom Erfolg durch zweckmäßig leichte Produkte mit Premier Composite Technologies in Dubai verwirklicht. Dort entstehen transportabel leichte Komponenten für architektonische Großprojekte und schnelle Yachten aus Faserverbundmaterial. Beim 2013 vor San Francisco ausgesegelten America’s Cup rasen Karbonkatamarane mit bis zu 2,7-facher Windgeschwindigkeit über die Regattastrecke. Sie erreichen sagenhafte Geschwindigkeiten von bis zu 83 km/h (45 Knoten). Solch rasante Fahrt auf reibungsarmen Tragflächen einige Meter über dem Wasser kennt man bisher von stark motorisierten Schnellfähren. Die Boote sind so schnell, das der Sicherheit halber mit Helm gesegelt wird. Zur Erinnerung: Beim Sprung vom 3 m Brett fliegt man mit 28 Stundenkilometern ins Wasser, vom Zehner wird mit 50 km/h gelandet. Das sogenannte „foilen“, das Tragflächensegeln, ist eine furios-spritzige Dimension des Segelns. Sie läßt den Sport in seiner bisherigen Form alt aussehen. Möglich wurde es durch den heutigen Stand der Technik. Die Kohlefaser-Tragfächen beispielsweise müssen mit großen Biegebelastungen fertigt werden. Es erscheint wie ein Wunder, das die dünnen Klingen die tonnenschweren Lasten bei rasanten gesegelten Kurfen und die Schläge durch Wellen aushalten. So hat sich der an Bräuchen und handwerklicher Praxis orientierte Bootsbau seit dem ersten Experiment Ende der Vierziger Jahre mit Glasfaser verstärktem Kunststoff rasant zur hochspezialisierten Verfahrenstechnik gewandelt. Denn Holz, Stahl oder Aluminium sind zu schwer, zu pflegeintensiv, schränken gestalterisch zu sehr ein. Hinzu kommt die ausgezeichnete akustische und thermische Isolierung moderner Sandwichboote: man hört in den Kabinen kaum Wassergeräusche und es bildet sich weniger Schwitzwasser. Seit drei Jahrzehnten stehen dem Bootsbau immer zugfestere Fasern und Harze mit Elefantenkleber-artigen Eigenschaften zur Verfügung. Man mußte nur lernen, sie zu nutzen. Und die Entwicklung geht weiter. Nach dem Generationswechsel von Aluminium- zu Karbonmasten in den Neunziger Jahren werden jetzt die Drähte zum Halten der Takelage durch ultraleichte Faserkabel ersetzt. Sie wiegen einen Bruchteil bisher üblicher Ware aus Edelstahl. Auch das Segeltuch ist bereits durch spezielle, maßgeschneiderte Laminate ersetzt. Die Fasern werden einfach entsprechend der Zugbeanspruchung des Tuchs zwischen die Folien geklebt. So dreht sich die Designspirale hin zum intelligenteren und leichteren, zum halt- und enorm belastbaren Bauteil weiter. Rehau Kundenzeitschrift Unlimited Heft 8