Seen und gesehen werden
Seit hundert Jahren liefert Boesch gediegenes Spielzeug für den ansehnlichen Bootsausflug. Und neuerdings trifft der Charme der Sechziger auf moderne Elektromotoren.
Ein Motorboot fährt sich fast so unbeschwert wie ein Sportwagen. Einsteigen, Zündschlüssel rein, Leinen los und einkuppeln. Mit blubberndem Motor schieben sich die Planken aus dem Hafen. Sonor brummend befreit uns das Triebwerk im Rücken bald aus der Enge des Landlebens.
Von allen denkbaren schwimmenden Untersätzen duldet die nicht ganz so bootsaffine Partnerin das Motorboot am ehesten. Es verlangt nur kleine Zugeständnisse an die Geheimwissenschaft der sogenannten Nautik. Sehr schön, wenn es aus maronenbraunem Mahagoni statt Allerweltsplastik ist. Ein hübsches Boot wandelt die zögernde Duldung der Partnerin in lächelnde Sympathie. Der lombardische Bootsbauer Carlo Riva fasste das Thema einmal mit drastischem Snobismus so zusammen: seine Kunden würden grundsätzlich nur auf einer Toilettenbrille aus Holz Platz nehmen. Plastik käme nicht in Frage.
Der glänzende Bootslack über den maronenbauen Planken, die funkelnden Beschläge entzücken. Auch lässt das Mahagoniboot die prosaische Kosten-Nutzen Abwägung nonchalant achteraus. Es beglückt wie der seltene Sportwagen bereits mit seiner bloßen Existenz und lässt den Blick auf das Pekuniäre kleinlich erscheinen. Auf dieses Detail kommen wir noch zu sprechen. Wie oft das Boot genutzt wird, ob drei-, fünfmal oder öfter, entscheiden das Wetter und übliche Landlebens-Verpflichtungen wie Einladungen, Familienfeste oder der Garten. Im Grunde langt es, wenn es ein Boesch gibt, wenn man nach dem Tagwerk abends mal ans Wasser geht und es sich einfach anschaut. Fahren ist schön, aber gegenüber dem Haben nachrangig.
Von Ausnahmen abgesehen zeichnen sich alpenländische Gewässer durch phänomenalen Windmangel aus. Friedlich spiegelt das Wasser die Kuh- oder Obstwiesen und Weinberge der Gegend. Selten bis nie schuppt eine Brise den See. Weit gereiste Engländer begriffen das beim Besuch der Schweiz sofort. Sie kümmerten sich deshalb um die Berge. Ortsansässige Handwerker wie Jacob Boesch machen seit hundert Jahren auf ihre Weise mit Kähnen zum Rudern und Motorbooten das Beste draus. In Kilchberg am Zürisee kultivierte Sohn Walter Boesch in den Vierzigerjahren dann die annähernd waagerechte Gleitfahrt der flotten Spritsäufer. Mitte der Fünfziger schob er das erste in Serie gebaute Boesch Motorboot ans Wasser.
Wer ein sogenanntes Runabout, einen generös motorisierten, mühelos gleitenden Sportflitzer steuert, hat es aus der angestrengten Verdränger- zur lässigen Gleitfahrt des Lebens gebracht. Wesentliche wirtschaftliche Fragen des Lebens sind gelöst. Wer sonst würde heute das üblicherweise einer Eigentumswohnung oder dem Haus in ordentlicher Lage gewidmete Budget für ein apartes Boot versenken? Für einen 7 ½ m Mahagonigleiter vom Typ Boesch 750 Portofino De Luxe wird derzeit mit zwei 320 PS Benzinern und unverzichtbarem Zubehör 480.000 € einschließlich Mehrwertsteuer ausgegeben, für die stärkere E-Motor Variante 725.000. Mit einem knapp 10 m langen Boesch 970 St. Tropez wird mit zwei 8,2 l Benzinern und jeweils 370 PS für annähernd 800 Tausend € abgelegt.
Auf hundert Jahre Bootsbau und eine stattliche Flotte gediegener Motorboote blickt die Schweizer Boesch Werft dieses Jahr zurück. Wirtschaftskrisen, den Zweiten Weltkrieg, die Ausbreitung beliebiger Plastikboote an unseren Ufern, vom starken Schweizer Franken erschwerte Exportmöglichkeiten und strenge Vorschriften für den Gewässer- und Umweltschutz hat der über mehrere Generationen geführte Familienbetrieb mit interessanten Finessen gemeistert.
Die Vorzüge des Mittelmotorbootes
Abgesehen von schneller Fahrt durch raues, von Wellen aufgewühltes Wasser gibt es für ein Motorboot keinen härteren Test als den Wasserski-Einsatz. Lastwechsel, große Leistung und enge Kurven verlangen dem Antriebsstrang allerhand ab. Das geht am besten, wenn er einfach gehalten ist, die Kraft vom Motor über eine starre Welle direkt mit der Schraube ins Wasser kommt. Eine durchzugsstarke Maschine hilft, hat aber den Nachteil schwer zu sein, weshalb sie als Mittelmotor und nicht wie heute üblich im Heck vor einem Z-Trieb untergebracht ist. In den großen doppelschraubigen Boesch Booten wirken zwei schwere Achtzylinder.
In den Fünfzigerjahren, als in der Hinterlassenschaft des deutschen Reiches noch der Schutt zusammengekehrt wurde, waren Boesch Boote bereits zum Wasserskifahren auf dem Genfer See gefragt. Diese Spezialität festigte den Nimbus der Boote als zuverlässiges wie edles Süßwasserspielzeug. Die Propellerwelle bringt die Kraft 15 Grad aus der Horizontalen geneigt ins Wasser. Der Winkel hebt das Heck an und macht bremsende Trimmklappen entbehrlich. Die unter statt hinter dem Rumpf wirkende Schraube schließt Verletzungen und versehentliches Aufwickeln des Wasserski-Schleppseils weitgehend aus.
Durchdacht und anders ist auch das sogenannte Beulenruder zum Steuern des Bootes. Es hat von oben gesehen den keilförmigen Querschnitt einer Axt. Der Blick von hinten verrät die geschwungene statt gerade Form. Sie gleicht den Drall des Schraubenwassers aus. Man kann das Lenkrad ohne lästigen Gegendruck loslassen. Das Boesch hält Kurs. Die amerikanische Marine hat es von Urs Boesch mitten in Europa, 406 Meter über dem Meeresspiegel übernommen. So einen Ritterschlag vergeben sonst eigentlich nur Chinesen. Schiffbauingenieur Klaus Boesch und sein Bruder Urs, er ist Maschinenbauingenieur, leiteten die Werft viele Jahre, bis Junior Markus den Betrieb vor einer Weile übernahm.
Weitere Finessen werden durch den anstehenden Generationswechsel vom Verbrennungs- zum Elektromotor demnächst obsolet. Diese technikgeschichtlich grausame Entwicklung ist unvermeidlich. Weil beim klassischen Mahagoni-Gleiter der domestizierte Sound der herkömmlichen Verbrennungsmotoren so wichtig ist wie der Fahrt selbst, entwickelten die Schweizer für ihre Boote eine spezielle Schalldämmung. Sie trennt hinter der Maschine die schnell entweichenden Abgase vom langsam abfließenden Kühlwasser, führt sie separat durch das Boot zum Heck, wo sie in einer speziellen Mischkammer außenbords direkt über der Wasserlinie wieder zusammenkommen. Eine Kamm-ähnliche Vorrichtung an der Abrisskante des Hecks füllt das kleine Gehäuse mit einem dämmenden Wasser-Schaumgemisch. Mit der sogenannten Kaskadendämpfung bleibt Lärm des Achtzylindermotors im erträglichen Rahmen. Da bemüht der Nachbar vom Wassergrundstück keinen Anwalt. Ein generös motorisierter Gleiter mit Verbrennungsmaschine ist von Haus aus ein Krachmacher. Liebhaber solcher Boote raunen nach dem ersten Glas Wein gerne von der sogenannten Fuel to Sound-Transmission. Wir hielten das für nerdig-maskulinen Quatsch – bis wir mal das erste Anlassen der Triebwerke und weitere Krachmacherei bei höheren Drehzahlen draußen in der freien Wildbahn des Wassers erlebten. Eine richtige Kleine-Jungs-Geschichte.
Nun steht und fällt die Zukunft der Mahagonigleiter mit der Motorisierung. Auf dem Ammer-, dem Chiem- und dem Starnbergersee, dem Wörther- oder Wolfgangsee haben einzig neue Boote mit Elektroantrieb eine Chance. Markus Boesch erinnert, dass sein Uropa Jakob bereits von der Vorgängerwerft Treichler ein 20 kW Boot namens „Elektra“ Baujahr 1895 kannte. Mit 4 Tonnen Batterien an Bord war es leider noch eine dröge Geschichte. „1996 haben wir nochmal angefangen, mit 20 Bleisäureakkus und Dieselgeneratoren. Seit 2005 ermöglichten Hochleistungsakkus Antriebe mit 50 kW, ab 2010 dann 100 kW. Mit den leistungsstarken Motoren haben wir etwa 100 Boote gebaut, ganz wenige auch in Doppelmotorisierung.“
Auch wenn deutlich leichtere Lithium-Ionen-Polymer-Batterien anstelle der Bleiakkus den Elektroantrieb für schnelle Gleiter erst sinnvoll machen, bleibt noch eine deutliche Lücke zur Reichweite der Verbrennungsmotoren. Der von 198 Ah Lithium Akkus angetriebene Piktronik 80 kW Synchronmotor bietet laut Werftangaben im 360 Volt Betrieb bei 40 km/h (knapp 22 Knoten) Geschwindigkeit im Boesch 710 eine Reichweite von 47 km (25 Seemeilen). Mit einem 125 kW Motor und 432 Volt Betriebsspannung ist bei gleicher Geschwindigkeit eine Reichweite von immerhin 76 km (41 sm) drin. Mit der herkömmlich Achtzylindrigen 5,7 l Maschine und 175 l Tank wird zum gedankenlos gefahrenen Wochenende abgelegt, einschließlich 38 Knoten Vollgas-Spurts.
So wird die Fuel to Sound Transmission, die delikate Koexistenz eines heißen Achtzylinders im Resonanzkörper aus fugenlos zusammengefügtem Mahagoni, in absehbarer Zeit durch den zunehmend interessanten Elektromotor obsolet. Es ist reizvoll, nahezu lautlos mit einem ansehnlichen Boot aus der Enge des Landlebens auszubüchsen. Das wusste auch der den wichtigen Gesichtspunkten der Erdenbürgerschaft zugewandte Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler. Er hatte ein kleines Boeschli, wie die Schweizer ihr Seespielzeug schon mal nennen. Als bodenständiger Mann natürlich eins zum Rudern. Das macht keinen Krach, keine Wellen und es riecht nicht.
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