Für Weltumsegler

Sind die klassischen Lebensziele erreicht, das Haus gebaut, für Stammhalter gesorgt und ein Baum gepflanzt, ist es Zeit für ein neues Projekt, die Weltumsegelung. Solch eine private Kreuzfahrt mit der Familie oder Freunden ist, in Etappen oder als komplett im großen Stil genossenes Sabbatical vom Arbeits- und Landleben, der Traum jedes Machers. Mit einer Jongert ist er gediegen und komfortabel zu verwirklichen.

Jeder Segler kennt dieses Traumschiff als spektakulär großes Exponat der Düsseldorfer Bootsmesse. Da ragt ein stattlicher Blauwassersegler im Jumbo-Format mit klassischem Klippersteven, umlaufend weißem Zierstreifen in der dunkelblauen oder schwarzen Bordwand über das Publikum. Eingelassene Bullaugen, das koggenartige Achterkastell mit der Fenstergalerie machen was her. Angesichts so viel Schiff in einer Messehalle der „boot“ klappt dem Besucher die Kinnlade herunter.

Mit solch einem vertrauenserweckenden Gefährt könnte man es mit dem Abenteuer der Weltmeere, den Anstrengungen langer Ozean Passagen und Unwägbarkeiten einer mehrmonatigen Luxus-Robinsonade aufnehmen. Wir sehen uns mit einem netten Buch oder Drink in der Polstergarnitur, während der Autopilot oder Segelfreunde das Gefährt durch den kräftigen Passatwind zu kleinen oder großen Antillen steuern. Es gibt keinen angenehmeren Ort unter Deck einer Segelyacht, als im Jongert-typischen Heck Salon mit Blick auf das achteraus von der mächtigen Verdrängerwelle angehobene Kielwasser mit einer weißen Blasenbahn. Damit mal gen Indien segeln, das Inselreich der Karibik und die neue Welt entdecken.

Angesichts der imposanten Jongert wähnen wir uns bereits in der klimatisierten Messehalle, mit den Füßen auf dem Teppich, in Augenhöhe mit Kiel, Ruder und den mächtigen Wasserschaufeln der Schiffsschrauben auf ganz großem Törn.

Wir hören das Ankergeschirr vor Nelsons Dockyard auf Antigua seitlich neben dem kühn geneigten Klipperbug durch die Klüsen rasseln. Herrlich, mit diesem Luxus Globetrotter mal auf dem eigenen Schatten im türkisgrünen Wasser zu ankern. Wir sehen den stolzen Zweimaster vor den Galapagos Inseln oder in einem Atoll der Südsee schwojen. Muten die in den Zierstreifen eingelassenen Bullaugen vom fernen Badestrand nicht wie Kanonenpforten an, denen gleich Pulverdampf entweicht?

Wir sehen uns in den Häfen der Weltmeere mit Schaulustigen fachsimpeln und genießen die anerkennenden Blicke, die Bewunderung für ein richtiges Schiff mit vergoldetem Scrollwork am Bug, die gediegene Deckslandschaft, das schwarz verfugte Teakdeck und das funkelnde Niro der Beschläge. Das ist das besondere Jongert-Feeling.

Wir haben alles an Bord. Eine zuverlässige Maschine, Generatoren, einen Meerwasser-Entsalzer, reichlich Sprit, Kühlboxen und Vorräte für mehrere Wochen. Sogar eine kleine Werkstatt mit Schraubstock und Standbohrmaschine für ambulante Reparaturen unterwegs gibt es. Das Radar lotst uns bei unsichtigem Wetter durch nautisch anspruchsvolle oder viel befahrene Gewässer. Die Satcom Kuppel verbindet uns mit der Heimat, der Firma, Geschäftspartnern oder der Börse. Ist die Welt nicht zu abwechslungsreich, bunt und interessant, um die Existenz ausschließlich mit dem Land- und Arbeitsleben zu verbringen? Über See kommend ist sie am schönsten. Eine richtige Blauwasseryacht, eine Jongert ist das Schiff dafür. Die prototypische Superyacht wurde bereits in den 70er Jahren entwickelt, als es den Begriff noch nicht gab und 16 Meter ungefähr so viel Schiff darstellten, wie heute 30 oder 40.

Die Werftgeschichte beginnt 1953 mit einer metallverarbeitenden Werkstatt in Holland. Hilda Jongert schneidet die Bleche und Ehemann Jan schweißt sie zu einem Gemüsetransporter zusammen. Willkommener Zusatzverdienst sind damals die Preisgelder, die Jan Jongert im Winter von Schlittschuhrennen mitbringt. 1960 geht es im traditionsreichen Fischerort Medemblik mit Motorbooten und ersten Segelyachten weiter. Das Wirtschaftswunder und das wachsende Interesse am Segeln führt zu 65 Exemplaren der angesehenen Trewes Motorsegler.

Ende der Sechzigerjahre öffnet die Begegnung mit dem Düsseldorfer Unternehmer Herbert Dahm ein neues Kapitel. Nach geschäftlichem Erfolg in der Elektronikbranche plant Dahm eine Weltumseglung. Für dieses Vorhaben entwickelt er mit Jongert eine maßgeschneiderte Segelyacht. Sein Schiff soll seetüchtig sein, eine passable Reisegeschwindigkeit erreichen, einfach von kleiner Crew zu bedienen und ein schönes Zuhause auf hoher See bieten. Zu Dahms Weltumseglung kommt es nicht. Denn der Selfmademan, Tatmensch und geschickte Verkäufer Dahm findet Spaß an der Entwicklung einer neuen Yachtlinie, der Marke Jongert.

Aus dem Bootsbaubetrieb wird eine Marke, Jongert zum Synonym für Luxus unter Segeln. Mit seiner ersten 17 Meter langen „Black Molly“ sammelt Dahm während langer Segelreisen im Mittelmeer wertvolle Erfahrungen, die dem 1974 fertig gestellten 22 Meter Neubau zugute kommen. Dahms zweite Black Molly wird dann jene typische Jongert, wie Segler sie von der „boot“ und Yachthäfen des Mittelmeeres kennen. Ihre Segelfläche ist handlich auf zwei Masten verteilt, ihr hochbordiger Rumpf vermittelt Sicherheit und bietet beinahe so viel Platz in den Kajüten wie eine Motoryacht. Der Klippersteven, Zierstreifen mit den eingelassenen Bullaugen und die Piratenschiff ähnliche Heckgalerie ergeben eine gefällige, betont schiffige Anmutung. Mit Dahms zweiter “Black Molly“ führt Jongert das bislang in der Großschifffahrt übliche Bugstrahlruder auf Segelyachten ein. Mit einem Eyecatcher mag man sich beim Anlegemanöver nicht blamieren.

Damals führt Jongert runde Duschkabinen ein, die sich auch unterwegs an Bord der schaukelnden Yacht benutzen lassen, später die erste ins Heck eingelassene Plattform. Diese pfiffige Lösung macht das Meer zur bequem zugänglichen Badeanstalt, erleichtert das Übersteigen ins Beiboot, notfalls die Bergung eines über Bord gegangenen Seglers.

Jetzt baut Jan Jongert mit seinen Söhnen Kees und Jan Junior keine Gemüseschuten mehr, er muss auch nicht mehr für Gulden Schlittschuh laufen. Der florierende Bootsbaubetrieb in Medemblik wird zum Begriff für die gediegene, repräsentative Blauwasseryacht. Dahms international tätige Vertriebsorganisation bringt die Jongertschen Erzeugnisse in Düsseldorf, Monte Carlo und Palma de Mallorca an den Seemann.

1984 baut Jongert für den schwedischen Reeder und passionierten Segler Mikael Krafft den 38 m Schoner „Gloria“. Mit diesem vielbeachteten, zu zweit handhabbaren Schiff steigt die Werft ins sogenannte Megayacht-Segment der 30 m plus Kategorie ein. Rasch folgen mit „Tamer II“ eine 36 m Ketsch, 1989 die 33 Meter lange „Diamond Forever“. Ende der 90er steuert Jongert mit der „Number One“ die 40 Meter Marke an, natürlich im schiffig-schmucken Jongert-Look mit handgeschnitzter Bugverzierung und gediegener Heckgalerie. Das Schiff überzeugt auf der Bootsmesse in Fort Lauderdale.

Mit diesem Bootsformat handelt sich Jongert allerdings zwei Probleme ein. Der erhebliche Tiefgang macht die Ansteuerung schöner Segelreviere wie die Bahamas oder idyllischer Ankerbuchten und Badeplätze unmöglich. Jongerts Antwort ist der vor einigen Jahren in Düsseldorf vorgestellte, im Yachtbau einmalige Faltkiel. Er hebt die längs geteilte Kielflosse mit drei Scharnieren wie eine Ziehharmonika unter dem Rumpf an. Weil es mit reduziertem Tiefgang für den Kiel allein nicht getan ist, entwickelte Jongert ein Ruder, dessen Enden kleine Winglets tragen. Mit diesem Kniff wird bei Flugzeugen die Spannweite reduziert, bei Jongert das Ruderblatt kurz gehalten. Der sogenannte Endplatten Effekt ist im Flugzeugbau schon eine Weile bekannt. Berühmt wurde er 1983 durch die denkwürdige Regattaserie um den Americas Cup, als die Australier mit einem Flügelkielboot gewannen. Alternativ bietet der ideenreiche Bootsbauer ein teleskopisch ausfahrbares Ruder an. Auch dies ist eine technisch aufwendige, selten gesehene Lösung.

Mit der 40 Meter großen „Number One“ und ihren Nachfolgerinnen liefert Jongert Ende der 90er ein Format, das sich nur mit erheblichem Aufwand vom bisherigen Betrieb in Medemblik ans Wasser manövrieren lässt. Der neue Standort in Oude Zeug auf dem Wieringermeer Polder gleich am Binnenmeer bietet auf einem großen Areal Platz, Anschluß an die tiefe Ijsselmeer-Fahrrinne und die Möglichkeit, noch größere Jongerts zu bauen. Denn mittlerweile fertigt Jongert neben der T, für Traditional, eine moderne „M“ Linie und fügte neulich mit der „C“ Reihe ein Customkonzept hinzu, für das sie Schonermodelle von 36, 40 und 50 Metern Länge vorschlägt. Die Jongerts wachsen weiter und klassische Schoner mit flachem Deck und herkömmlich kastenförmigen Aufbauten erleben neuerdings weltweit eine Renaissance.

Natürlich segelt Jongert nicht allein im Kielwasser der Tradition. Bereits 1983 ließ Herbert Dahm seine 24 Meter lange Maxiyacht „Mephisto“ auftakeln und segelte prompt einen Rekord von Kiel nach Fehmarn, im Jahr darauf folgte die „Inspiration“, ein Trendsetter auch für die Jongert Werft. Mittlerweile liegen im Yachthafen von Palma de Mallorca, einem wahren Jongert-Nest, ungefähr so viele moderne Jongert Yachten mit kurzen, steilen Vorsteven und rasant geneigt modernem Yachtheck und gestreckter Wasserlinie wie klassische Versionen im Seeräuberlook.

In Zusammenarbeit mit dem America’s Cup erfahrenen Kalifornier Doug Peterson schuf Jongert in den vergangenen Jahren eine inspirierende, frische und dynamische Yachtlinie. Sie beginnt mit zwei 22 und 24 Meter langen Deckssalon-Einsteigermodellen, bietet eine moderne 25 m Interpretation der T-Linie und verblüfft mit einem 40 Meter langen Einmaster. Ein Schiff, das deutlich größer und voluminöser ist als Giovanni Agnellis, vor Jahren noch spektakulärer Einzelbau namens „Extra Beat“. Derzeitiges Flaggschiff ist eine veritable 52 Meter Ketsch, deren Tiefgang mit dem Jongertschen Faltkiel von sechs auf erträgliche 3,25 m reduziert wird. Schiffe dieses Formats sind leider nicht mehr in die Düsseldorfer Messehalle zu transportieren. Man sieht sie eher in Antibes, Monaco oder im Club Nautico von Palma.

Im Unterschied zu manchem holländischen Bootsbaubetrieb, wo viele bis nahezu alle Gewerke von Unterlieferanten ausgeführt werden – eine Spezialität und Stärke niederländischen Schiff- und Yachtbaus – arbeitet Jongert nach wie vor mit großer Fertigungstiefe. Jongert ist noch eine echte Werft, wo vom Metallbau und Schlosserei für die Bordsysteme, Elektrik, Lackiererei bis hin zur Tischlerei viel selbst gemacht wird. „Damit stellen wir bei der Komplexität unserer Schiffe gute Qualität sicher“, meint der heutige Werftleiter Jan Jongert jr.

Natürlich sind die Lage der Werft wenige Autostunden von Deutschland, das Faible für Innovation und yachtbauliche Perfektion und das vertraute niederländische Arbeitsethos neben den ideenreichen Blauwasseryachten Gründe für die Beliebtheit der Jongert Yachten bei Deutschen Seglern. Ralph Dommermuth, IT-Unternehmer aus Montabaur im Westerwald, legte sich vor einigen Jahren eine moderne 30 m Jongert „als Rückzugsort, wo ich abhänge, Erholung finde“ zu. Lange Strecken, etwa eine Weltumseglung, interessieren den 42-jährigen weniger. Dommermuth, der 2007 vor Valencia den ersten deutsche America’s Cupper ins Rennen schickt, läßt seine private Yacht von seiner Crew zwischen Mittelmeer, Karibik oder den Seychellen überführen, wo er dann für einen Segelurlaub an Bord kommt. Dommermuth mag seine Träume nicht aufschieben sondern „Arbeit und Leben jetzt sinnvoll kombinieren.“

Ein technikbegeisterter Protagonist der deutschen Automobilindustrie, der gern anonym bleiben möchte, gönnte sich mit Blick auf den lange gehegten Traum von der Weltumseglung neulich eine Jongert. Die klassischen Lebensziele hat der Mann längst mehrfach erreicht. Eigentlich Zeit, die Leinen los zu werfen, die Segel zu setzen und der Blasenbahn des Kielwassers mit einer stattlichen Jongert davon zu segeln. Ob er es schafft?