Zeitmaschine

Die 115 Jahre alte „Coronet“ ist die letzte große, authentisch erhaltene Yacht der viktorianischen Ära des Segelsports, die von 1840 bis 1910 datiert wird. Ihre Geschichte ist bewegt, ihre Substanz und Zustand sind erstaunlich. Jetzt soll sie restauriert werden.

Wer es im „goldenen Zeitalter“ der Industrialisierung des nordamerikanischen Kontinents zu vielen Dollars gebracht hatte, steckte einen Teil seines Vermögens in den Bau und Betrieb eines ansehnlichen Zweimasters. Der Schoner-Typ der Neuen Welt hatte sich als schnelles Kaperschiff, agiler Sklaventransporter oder Schmuggler, seetüchtiger Lotsenversetzer und profitables Fischereifahrzeug bewährt.

Einer, der sich so einen Schlitten für vergnügliche Zwecke mit links leisten konnte, war Rufus T. Bush. Die „Bush & Denslow, Refiners and Dealers in Oils“ hatte dem Pensionär ein schönes Vermögen beschert. Bush wohnte gediegen auf Columbia Heights in Brooklyn, damals das bevorzugte Wohngebiet, zugleich Erholungsort gut situierter New Yorker auf der besseren Seite des East River. Bush war eine der tragenden Säulen seiner Kirchengemeinde, der Plymouth Church of the Pilgrims – und Mitglied des piekfeinen New York Yacht Club.

Bush orderte bei C. & R. Poillon, einer guten Adresse in Brooklyn. Wenige Jahre zuvor hatte die Werft die berühmte „Sappho“, mit 37 Metern Wasserlinien Länge einen der größten und schnellsten zeitgenössischen Schoner nach einem Entwurf ihres Direktors William Townsend auf eigene Rechnung gebaut. Damals, so die Legende, soll Bush das Wasserspielzeug so lapidar geordert haben, wie seine Zeitgenossen einen neuen Anzug beim Schneider bestellten. Bush lebte in Verhältnissen großzügigen Zuschnitts. So sah „Coronet, sein „Krönchen“ auch aus.

Bei 40 Metern Deckslänge maß das Schiff zwischen dem Klüverbaum vorn und dem hinteren Ende ihrer Takelage 58 Meter. Sie ging mit bis zu neun Segeln und 772 qm an den Wind. Ihr Großmast erhob sich 41 Meter über das Meer. Die schonergetakelten Arbeitsboote zur Fischerei auf der Neufundlandbank waren in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts mit 25 Metern etwas länger als „Coronet“s waagerecht hinter dem Großmast über das Heck ragende Segelstange, ihr Großbaum. 65.000 US Dollar, das entspricht rund dreieinhalb Millionen Schweizer Franken, war das Flaggschiff des New York Yacht Club ihrem Besteller wert. Der Schmierstoffhändler kleckerte nicht, er klotzte.

Wie damals üblich, hatte der Eigner einen eigens angestellten Kapitän mit Bauaufsicht und Schiffsführung beauftragt. Wie Alfred F. Loomis 1936 in „Ocean Racing. The Great Blue-Water Yacht Races 1866-1935“ berichtet, soll Bush mit den Bezeichnungen der Segel seines stattlichen Schoners in keiner Weise vertraut gewesen sein. Für die Kleinigkeit des Betriebs seines Schiffes hatte Bush erfahrene Leute. Kapitän Christopher S. Crosby scheuchte eine 25-köpfige Mannschaft über Deck und in die Masten. Wer wirklich konnte, ließ segeln und zahlte für den Spaß. Der Eigner guckte zu oder schlug bei Langstreckenregatten in der Zeitung nach, wie sich sein Schiff geschlagen hatte.

Am 17. August 1885 lief „Coronet“ vom Stapel. Sie war für flotte Reisen über große Distanzen vorgesehen. So führte sie ihre Jungfernfahrt gleich über den Atlantik. Familie Bush verlebte den Sommer in England. In die Staaten zurückgekehrt, steckte Bush nochmals 35.000 Dollar in sein Krönchen. Regatten entstanden damals in „Sweepstake“ Manier, einer Art Pferdetoto, wo ein Schiffseigner behauptete, sein Schiff sei das schnellste. Bush setzte 10.000 Dollar, rund 354.000 Schweizer Franken, auf den Sieg seines Schiffs. Er mußte nicht lange warten. Die Wette wurde von Caldwell H. Colt, Sohn des Revolver Erfinders und Schießeisenfabrikanten Samuel Colt, mit seinem 38 m Schoner „Dauntless“ (zu deutsch: die „Unerschrockene“) angenommen. So kam damals das dritte Atlantikrennen der Segelgeschichte zustande.

Den Spaß dachte sich ein kleiner Zirkel abenteuerlustig gestimmter Herrensegler nach dem Dinner daheim, oder vor dem Kamin im Rauchsalon des NYYC mit einer schönen Corona, Montechristo oder Partagas zwischen den Lippen aus. Ihre bezahlten Crews mit der Größe zweier Fußballmannschaften mußten die Sache dann sprichwörtlich zwischen dem amerikanischen Sandy Hook und Kap Lizard im Südwesten Englands ausbaden. Beim ersten Atlantikrennen 1866 – es wurde zwischen „Fleetwing“, „Vesta“ und „Henrietta“ ausgerechnet im Dezember ausgetragen – wurden sechs Mann von Bord gespült. Jeder der zahlungsfähigen Eigner hatte 30.000 Dollar auf den Tisch gelegt. So konnte der Sieger die schöne Summe von 90.000 (3,2 Millionen Franken) einstecken und sich von dem Gewinn ein komplett neues Schiff kaufen.

Einen Kajütaufbau trugen „Coronet“s Decksplanken aus dem weichen Holz der Weißtanne nicht, nur zwei raffiniert geschwungen getischlerte Niedergänge. Dazwischen folgten in Mittschiffslinie fünf elegant gerundete Oberlichter aus glänzend lackiertem Mahagoni mit beidseitigen Sitzgelegenheiten im Stil kommoder Parkbänke. Auf dem leicht geneigten Deck konnte man bequem darauf sitzen und in die Sonne blinzeln. Ganz vorn unter der Spritzkappe zwischen Ankerwinde und Fockmast begann oder endete die Schicht der Berufssegler. Auf der Poop am anderen Ende des Schiffes ließen es sich die Segler aus Berufung in Decksstühlen sitzend in Decken eingewickelt wohl sein. Mittschiffs, wo bei den Segelfrachtern und Fischerschonern der Laderaum eingelassen war, befanden sich „Coronet“s Eigner- und Gästekajüten.

Eine Marmortreppe führte den Eigner, seine Freunde und den Kapitän in eine mit kubanischem Mahagoni vertäfelte Wohnwelt im Stil eines viktorianischen Grandhotels. Deren Ausstattung ließ das Leben auf See vergessen. Ein Kamin bot behagliche Wärme, das Piano sorgte für Stimmung. Aufwendig geschliffene Spiegel, Türen mit eingesetzten Glasfenstern und farbige Kronleuchter, deren schimmernde Emaillierung im aufwendigen Cloisonné oder Zellschmelzverfahren entstanden war, hingen unter der Kassettendecke. Die Beleuchtung erfolgte mit Kerosin. Eine Flügeltür öffnete zum Speisezimmer, dessen Köstlichkeiten aus der Küche im Vorschiff serviert wurden. Der Flur mittschiffs zu den Eigner- und Gästekabinen sowie Bushs Reisebibliothek führte in einem eleganten Oval um den wuchtigen Sockel des Großmasts herum. Geschnitzte Pflanzenmotive zierten die Mahagoniwände in Schulterhöhe. „Coronets“ Interieur mußte sich hinter der Lobby des Ritz nicht verstecken.

Damit des Schmierstoffhändlers Wette auch publik würde, lud Bush einige Reporter zu einer kernigen Dienstreise ein. Keine einzige Gesellschaft in den Staaten war bereit, dem Gesuch der Mitsegler zum Abschluß einer Lebensversicherung zu entsprechen. So empfahl „Coronet“ Schiffer Crosby den Journalisten, vor dem Auslaufen noch rasch ihren eigenen Nachruf zu texten. Schreiben könnten sie doch ganz gut. Damit das transatlantische Schonertoto flott über die Bühne gehen würde, hatten die Herren die Veranstaltung ins windreiche Frühjahr gelegt. Dann brausen die Tiefs so sicher über das Nordmeer, wie das Amen in der Kirche. Am 12. März wurden die Gaffeln hochgehieft, Toppsegel vorgeheisst und die Vorsegel dichtgeholt. Generös ließ „Dauntless“ Schiffer Samuels dem Kollegen Crosby sechshundert Meter Vorsprung. Samuels war sich gewiss, „Coronet“ bereits bei Sandy Hook querab und die Nerven der Mannschaft blank gesegelt zu haben. Am dritten Tag wurde die Wette bei orkanähnlichen Verhältnissen im Nordatlantik fortgesetzt. Crosby erklärte den Reportern in die aschfahlen bis grünen Gesichter, normalerweise würde bei solchen Bedingungen ja beigedreht. Da man sich allerdings in einer Wettfahrt befinde, ginge es mit reduzierter Beseglung weiter. Die 1887 auf „Coronet“ gemachten Aufnahmen gelten als die ersten Fotografien, die je an Bord einer Yacht entstanden.

Unterwegs freigelassene Brieftauben sollten an Land über den Verlauf des Schonerduells berichten. Tatsächlich landete ein Vogel etwas zerzaust auf dem Giebel eines Hotels in North Carolina. Vierzehn Tage und neunzehn Stunden seit dem Auspacken der Segel ließ Kapitän Crosby vor dem irischen Cork zufrieden die Ankerkette über die Spillköpfe rasseln. Erleichtert wurden im Salon die Cloisonné Kronleuchter losgebunden. Dreißig Stunden später schleppte sich die havarierte „Dauntless“ im Süden Irlands in den Hafen. Die Logbücher berichten von einer Serie schwerer Stürme auf dem Nordatlantik, einschließlich einer der gefürchteten, abrupten 100 Grad Winddrehungen, die das Meer zum Hexenkessel machen. Colt junior hatte eine Baustelle – die Schmach des zweiten Platzes und mußte auch noch einen zehntausend Dollar Scheck ausstellen. Am 28. März 1887 befasste sich die New York Times auf ihrer gesamten Titelseite mit „Coronets“ Sieg. Das gefiel dem Ölhändler in Columbia Heights mitten im piekfeinen Brooklyn. Er packte die Gelegenheit beim Schopf und bot „Coronet“ prompt für 150.000 Dollar an. Ein Kaufmann wie Bush Geld gab Geld nicht für eine schöne Sache um ihrer selbst willen aus.

Allerdings entschied sich niemand zum Kauf des schnellen Schoners. So beschloss Bush, in Begleitung einiger Freunde 88-89 dann noch mal selbst auf Reisen zu gehen. Er schätzte das Abenteuer: mit allem Komfort versteht sich, den ein 40 Meter Renner damals bieten konnte. Einen Motor, geschweige denn Strom gab es an Bord nicht. Dennoch mussten die Herrschaften auf See nicht auf den Komfort fließend warmen Wassers verzichten: Per Wärmetauscher aus einem im Bug von der Mannschaft versorgten Kohlenofen gespeist, floss es passend temperiert aus einem hoch gelegenen Tank in die Waschbecken und Badewannen der Eigner- und Gästekajüten. Die Polster der linken Schiffsseite waren mit rotem Samt, der Backbordfarbe, bezogen, die Kabinen an Steuerbord machten in grüner Ausstattung einen schiffigen Eindruck. So wußte Bush beim Aufwachen augenblicklich, auf welcher Seite er ruhte.

Neben dem Genuß, sein Schiff als erster im Hafen anbinden zu lassen, schätzte Bush auch seglerische Premieren wie die erste Umsegelung Kap Horns durch eine Yacht zu einer Zeit, wo sich in solch’ südliche Breiten niemand freiwillig, allenfalls mit der Hoffnung auf große Rendite des riskierten Kapitals und eingesetzten Lebens wagte. Natürlich segelte Bush nicht persönlich um Südamerika auf der problematischen Ost-Westroute herum. Er ließ überführen. Bush buchte einen Pullman nach Kalifornien und wartete im sonnigen San Diego die Ankunft seiner Yacht ab. Als der New Yorker Industrielle einige Monate später in Japan festmachte, ließ sich Kaiser Mutsuhito in seiner Eigenschaft als Meiji, „erleuchteter Regent“, persönlich an Bord blicken. Es soll, so die Legende, das einzige Mal gewesen sein, daß Tenno seinen Palast verließ. Fünf Jahre nach ihrem Stapellauf übernahm Arthur E. Bateman die Yacht für ein Jahr, um sich Europa und das Mittelmeer aus der schönsten Perspektive, von Bord, anzugucken.

Ihr vierter Eigner, Kommodore Arthur Curtiss James, lebte im vornehmen Newport des Bundesstaats Rhode Island, damals schon die Goldküste der Vereinigten Staaten. 1894 lud er den Erfinder des Telefons, Alexander Graham Bell zu einem Ausflug zu den Bras D’Or Seen im Norden der kanadischen Halbinsel Nova Scotia ein. Der Gast hatte sich einige Jahre zuvor mit seiner Bell Company im renditeträchtigen Kommunikationsmarkt selbständig gemacht. Dann hatte der Kommodore die Muße, eine Delegation von Wissenschaftlern des Amherst College zu einer Pazifikrundfahrt einzuladen, deren Höhepunkt die Beobachtung und Fotografie einer totalen Sonnenfinsternis sein sollte. Der Panamakanal wurde noch gegraben. Deshalb führte „Coronet“s Kurs wieder ganz unten auf schwierigem Ost-West Kurs um Feuerland herum in den Stillen Ozean. Dummerweise war auf der anderen Seite des Pazifik gerade bedeckt, sodass das Spektakel am 9. August 1896 ungesehen über den Wolken des kleinen nordjapanischen Fischerdorfes Esashi stattfand, wie Mabel Loomis Todd in „Corona and Coronet“ 1899, einer Schilderung der 84.000 Kilometer langen Amhearst Exkursion berichtet.

Zum Schutz vor ungebetenem Besuch auf hoher See standen zwei 450 pfündige Kanonen auf dem Achterdeck hinter der Reling aus gedrechseltem Teak. Sichtbar bewaffnet konnte „Coronet“ getrost die Leinen zu einer privaten Karibikkreuzfahrt zum Jahreswechsel 98/99 loswerfen. Private Fernreisen durch das unübersichtliche Archipel der klippen- strömungs- und windreichen Antillen hatten vor hundert Jahren noch Expeditionscharakter. Es war weniger eine Frage, wie erholt, vielmehr, wie geschröpft und ob man überhaupt zurückkam.

1905 endete „Coronet“s abwechslungsreiche 20-jährige Karriere als Regattayacht und Langstreckensegler in privater Hand. Das respektable Logbuch und die solide Bauweise überzeugte eine konfessionslose Missionsgemeinschaft namens „The Kingdom“ 1905 zur Übernahme des Schiffes. Bis 1911 segelte „Coronet“ nochmals um die Welt, jetzt das vierte Mal um Kap Horn. Allerdings nicht mehr als Pläsier begüterter Lustschiffer des New York Yacht Club, sondern zur Verbreitung des Evangeliums. Anfang der 30er Jahre inventarisierte das namhafte Washingtoner Smithsonian Institut das stilistisch und zeitgeschichtlich bedeutende Kulturgut eingehend. Schleichend, doch unübersehbar geriet „Coronet“ seit den 50er Jahren zum immobilen Inventar des Hafens von Gloucester, Massachusetts. „Jeder an der Küste hier wusste von „Coronet“ und hörte gerüchteweise von ihrer großen Vergangenheit,“ erinnert sich Elisabeth Ernst Meyer in ihrer Eigenschaft als Präsidentin der fünf Jahre alten „International Yacht Restoration School“ in Newport.

Längst hatten Tom Benson, Leiter des Newportschen Museum of Yachting und Yachtillustrator John Mecray aus dem nahegelegenen Jamestown ein Auge auf die gammelnde Hulk geworfen. Sie verfielen sprichwörtlich der Idee, das morsche Gebälk wieder in den großartigen Schoner vergangener Zeiten zu verwandeln. Nach langwierigen Verhandlungen mit der Missionsgemeinschaft, die Mitglieder von „The Kingdom“ hofften immer noch auf eine großzügige Spende zur Instandsetzung ihres Missionsseglers, bekam die frisch gegründete „International Yacht Restoration School“ (IYRS) „Coronet“ geschenkt.

Jetzt liegt das neue Flaggschiff der Yachtrestaurationsschule in beklagenswertem Zustand im Zentrum des nordamerikanischen Seglermekka Newport. Äußerlich ein Wrack, hat „Coronet“ den Charme eines Schrebergartens. Ein unförmiger Holzverschlag steht auf dem Achterdeck. Das Heck hängt durch. Die lecken Decksplanken sind notdürftig mit Plastikplane abgedeckt. Von der schieren Größe und Geschichte des Renn- und späteren Missionsseglers einmal abgesehen, bleibt vom Steg aus unverständlich, warum die rotte Hulk mit den groben, nicht besonders hübschen Linien früher Yachten erhalten werden soll.

Dann führt Bootsmann William „Skip“ Babcock zwischen den beiden, ‘47 von der Missionsgemeinschaft in den einstigen Salon gehieften Schiffsdieseln vorbei in das frühere Speisezimmer. Unter Deck ist der alte Schoner eine Sensation: praktisch alles ist wie 1885 in Brooklyn für den Ölhändler getischlert, gehobelt und gebeizt noch da. Spiegel, raffiniert geschliffene gläserne Fensterscheiben, Intarsien, die geschnitzte Vertäfelung der Wände überstanden knochenhart gesegelte Ozeanregatten, zwei Weltumsegelungen und vier Kap Horn Passagen.

Mit einem langstieligen Schraubenzieher hebelt Babcock ein Inspektionsluk zur zwei Meter tiefen Bilge hoch und leuchtet in den muffenden Schiffskeller. Die gesamte Bordwand ist mittschiffs vom Kiel bis unter die Bodenbretter mit gußeisernem Innenballast aus vermutlich hunderten, bislang ungezählten Blöcken belegt. Mit ihrem T-förmigen Profil liegen sie Stoß an Stoß auf den wuchtigen 20 x 20 Zentimeter dicken Eichenspanten längs im Schiff. So blieben ein, zwei Handbreit Luft zwischen dem Eisen und der Beplankung. Die Schiffbauer in Brooklyn hatten an „Coronets“ Zukunft gedacht. Auch 115 Jahre seit dem Stapellauf rottet der Poillon Werftbau innen nicht. Übrigens sind die Eisenbarren das einzige Metall im gesamten Bootskörper. Wie ein Fachwerkhaus ist der große Zweimaster aus Hartholznägeln (der Robinie oder anderen wurzelnah feuchten und entsprechend belastbaren Hölzern) zusammengesteckt. Damit die Hartholznägel unterwegs nicht herausrutschen, wurden sie mit zusätzlich eingeschlagenen Keilen aus Eiche gesichert. Der große Gerbsäureanteil der im Schiff stehenden Rippen aus Weißeiche hätte die Korrosion von Eisennägeln oder Metallschrauben beschleunigt und rasch Rostpulver in den Löchern hinterlassen. „Coronet“ wäre bereits nach wenigen Jahren mit schrecklichen Folgen auf See auseinander geraten.

Außen auf dem Spantgerippe des Schoners sitzen zehn Zentimeter dicke Planken aus dem Holz der langblättrigen gelben Pitchpine, wie einst im Süden der USA in großen astarmen Längen zu bekommen. Dank seines großen Harzgehalts konserviert es sich selbst. Im besonders beanspruchten Mittschiffsbereich ist „Coronet“ innen nochmals mit 13 Zentimeter dicken Planken des gleichen Holzes in Längsrichtung ausgesteift – und thermoakustisch bestens isoliert. Der Hohlraum zwischen den Spanten wahrte die erforderliche Luftzirkulation im Gebälk. Die Entlüftung erfolgt durch raffiniert mit Kunstschnitzerei vergitterte Öffnungen unter der Decke der Kajüten.

Die Hohlräume des Schiffskellers und des Vorschiffs sind mit Teer konserviert. Selbst die Mannschaftskajüte im Vorschiff mit den klappbaren, übereinander an der Bordwand hängenden Kojenrahmen aus gebogenem Rohrmaterial ist weitgehend im Originalzustand von Anno 1885 erhalten. Sie dokumentiert die bewährte, nüchterne Ausstattung der Sammelunterkünfte, wie damals an Bord der Renn- und Fischerschoner der Neufundlandbänke üblich.

Abgesehen vom Frevel der artfremden Motorisierung haben die Missionare „Coronet“ neunzig Jahre so gelassen, wie anno 1905 vom letzten privaten Besitzer Louis Bossert übernommen. Keine Abfolge solventer, modernisierungswütiger Eigner samt Ehefrauen oder Freundinnen hätte das geschafft. Wer Geld hat kümmert sich weniger um die historische Substanz seines Besitzes als dessen zeitgemäße, bequeme Nutzung. So wurde das Krönchen des New Yorker Ölhändlers zur Zeitmaschine der Segelgeschichte.

Zur Artikelübersicht