Cabriolets für die Welle

Die historischen Modelle der Motorbootmarke Riva sind schön, teuer zu unterhalten und eine Anlage mit steigendem Wert.

Erst verkaufte er seine erfolgreiche Druckerei, dann stieg er in die Projektierung von Solaranlagen ein und fand eine Beschäftigung, die ihn noch mehr begeistert: Riva-Boote. Günther Martens* aus Nürnberg ist 45 Jahre alt und sammelt sie. Vier Modelle aus der Manufaktur am oberitalienischen Iseosee besitzt er schon. Wann immer er Zeit findet, kümmert er sich um seine Sammlung. 1998 begann es mit einer „Super Aquarama“ aus dem Jahr 1971, 2007 dann eine „Super Ariston“ aus dem gleichen Jahr, anschließend eine „Super Tritone“ und zuletzt 2009 eine „Tritone“ aus den 60er Jahren, die derzeit vom Hamburger Spezialisten Jürgen Renken restauriert wird. Geduld und Liebe sind nötig, wenn ein Eigner eines der Schiffe mit dem typischen Mahagoni-Holz-Rumpf gebraucht kaufen und hüten will.

Eine 130 Schiffe starke Flotte dieser Schätze auf dem Wasser trifft sich derzeit in Sarnico bei Bergamo zu den Riva Days unter dem Motto: „170 – 90 – 50“. Vor 170 Jahren legte Pietro Riva mit der Übersiedlung an den Iseosee den Grundstein für die einmalige Werftgeschichte. Vor 90 Jahren wurde Carlo geboren, jener Riva, der die vier Buchstaben zum Begriff für stilvolle Grandezza auf dem Wasser machte. Und vor 50 Jahren wurde der Prototyp des letzten Mahagoni Wasserstraßenkreuzers vom Typ Aquarama in den meist spiegelglatten Iseosee gehoben.

Gefeiert wird auch die zufällig wieder entdeckte erste Tritone mit dem Namen „Perlita Too“. Das Boot wurde 1953 mit einem 350 PS starken 12 Zylinder-Motor an einen Hollywood Filmproduzenten in den USA geliefert, verschwand Mitte der siebziger Jahre und wurde nach 14 Jahren zufällig in einem Container in der Nähe von San Francisco entdeckt, restauriert und in das ursprüngliche Schmuckstück zurückverwandelt. Auch das ehemalige Boot von Verleger Axel Springer 1966, ein Exemplar aus der Tritone-Serie mit der Baunummer 258 hatte die Szene schon abgeschrieben, wurde wiederentdeckt und zu erneuter Blüte aufgemöbelt wird in Sarnico präsentiert. Und die fachkundigen Besucher werfen Blicke auf das Gesicht des 90-jährigen Carlo Riva. Er ist es, der die eleganten Kabriolets zum stilsicheren Must Have vermögender Menschen machte. Sein Lächeln beim Betrachten einer restaurierten Schönheit gilt bei den derzeitigen Riva Days als Absolution für Liebhaber, Restauratoren und Eigner.

Die Holzboote sind Klassiker der Wirtschaftswunder-Ära, die durch Schauspieler und Lebenskünstler wie Anita Ekberg, Brigitte Bardot, Ira von Fürstenberg, Sophia Loren, Jean-Paul Belmondo, Roger Vadim oder Gunter Sachs berühmt wurden. Die Begeisterung für die Boote, wie sie im Wesentlichen von 1950 bis 70 am norditalienischen Iseosee entstanden, erschließt sich auf den ersten Blick.

Es sind charmante Boote, die einst für das maritime dolce vita getischlert wurden. Etwa die Hälfte der insgesamt rund 4300 Kostbarkeiten, die in Sarnico am Iseosee entstanden, existiert noch. Luxus waren sie schon zur Zeit ihrer Entstehung. 1956 kostete eine einmotorige Ariston 19 500 Mark, eine zweistrahlige Tritone 36 000 Mark. Ein Bentley Continental ist damals für 26 500, ein Mercedes 300 SL für 29 000 Mark zu haben.

Ihr Zauber erschließt sich auch Laien rasch. Das intarsien artig zusammengefügte maronenbraune Mahagoni mit den funkelnden Chrombeschlägen schmeichelt dem Auge. Die Finger spüren bei der Berührung des Rumpfs, die Finesse mit der die 17 Lackschichten aufgetragen und abschließend poliert wurden.

Serie statt Handwerk

Dabei beruht das Geheimnis von Rivas Mythos überraschenderweise auf der Modernisierung des Handwerksbetriebs, die Carlo Riva einführte.     Als der 27-jährige Ingenieur 1950 die elterliche Tischlerei mit fünf Mitarbeitern übernahm, wurden wenige Boote im Jahr gefertigt. Später waren es rund 300 Mitarbeiter die jährlich etwa 200 Rivas fertigten. Gegen den erheblichen Widerstand seines Vaters verdoppelt er erst die Preise und ersetzt zudem das Künstlertum des Handwerks durch Serienfertigung. Er lässt Komponenten vorproduzieren. Er verwendet von eigens in einer Tochterfirma entwickeltes wasserfestes Sperrholz für die Bootsböden. Er verklebt in einer Druckluftpresse, die er gemeinsam mit dem Reifenhersteller Pirelli, entwickelt die vorgeformten beiden karosserieartigen Bordwandseitenteile. So treibt Carlo den eigentlich schon obsoleten Holzbootsbau mit überschaubaren Arbeitszeiten und hervorragender Qualität auf die Spitze.

Riva strickt bereits Ende der fünfziger Jahre ein weit gespanntes Servicenetz, das seine Kunden nicht allein lässt. Ein Riva-Eigner lässt sein Boot damals schon warten wie der Autofahrer seinen Wagen in die Werkstatt gibt. 1957 überredet Riva einen seiner Kunden, Fürst Rainer von Monaco, den Grimaldi-Palast für eine Riva-Vertragswerkstatt mit Bootslager zu unterkellern. Wie ein gescheiter Wein müssen die edlen Boote schattig und kühl aufbewahrt werden. Der Lack würde sonst welk, das Holz austrocknen und reißen.

Riva bestellt 1952 in den USA sechs Chris-Craft Maschinen. Bald werden jährlich mehrere hundert Achtzylinder in seine zunehmend zweimotorigen Schiffe gehoben. Ende der fünfziger Jahre lassen sich Riva Boote in einem Showroom im New Yorker Rockefeller Center bewundern und kaufen wie ein Auto. Voraussetzung für die gepfefferten Preise ist die vom Inhaber unbeirrt verbesserte Qualität und eine termintreue Arbeit.

Das frühzeitig vom selbstbewussten Werftinhaber angestoßene Celebrity-Marketing läuft prima. Showgirls, Playboys, Industrielle oder Potentaten mögen keine Probleme. Die wollen mit mächtig grollenden Motoren ablegen und im erfrischenden 25 bis 40 Knoten Tiefflug auf dem Lago, an der Riviera oder Cote d’Azur unbeschwert bis zur nächsten Bucht das Weite suchen.

Sammler mit Tick

Günther Martens sucht die Nähe zu seinen Schätzen. Denn zusätzlich zu der Begeisterung für die Boote, haben sich seine historischen Modelle als stabile Investition entpuppt. Der Wert seiner ersten Riva hat sich bislang verdoppelt. Dank des guten Zustands, lackschonender Aufbewahrung in einer schattigen wie sicheren Halle im fernen Spanien, sofortiger Versiegelung unvermeidlicher Macken und etwa 14-tägiger Nutzung jährlich war an diesem Flaggschiff beim Kauf wenig zu machen. Das 8,5 m lange, 2,60 Meter breite, und etwa 3 Tonnen schwere Cabriolet mit zwei 320 PS Motoren kostet ihn im Unterhalt „höchstens 10 Tausend Euro im Jahr einschließlich Sprit.“ Die derzeitige Wertsteigerung fängt die Betriebskosten auf, wenn es einmal verkauft werden sollte. „Auch wenn sich im kommenden Jahrzehnt nur eine 30 bis 50-prozentige Wertsteigerung ergeben sollte, bleibt der Spaß kostenneutral“, hofft Martens.

Seit Ende der neunziger Jahre ist der Kreis der Liebhaber der „Sophia Loren“ unter den gleitenden Klassikern gewachsen. Mit erfreulichen Folgen für den Wert der bis zu 88 Stundenkilometer schnellen Spritsäufer, die zumindest für den Transport kaum mehr Mühe als ein Wohnwagen bedeuten.

Die kleinen, bis zu 6,80 Meter langen und 1,4 Tonnen schweren Modelle wie die Florida, Junior, Olympic oder Ariston lassen sich problemlos auf dem Anhänger von einem PKW ziehen. Für die großen Modelle, die acht m lange und 2,7 Tonnen schwere Tritone und die etwas größere Aquarama ist entweder ein Spediteur oder ein umgebauter Lastwagen gefragt. Als der heutige Eigner der ehemaligen Axel Springer Yacht, der Berliner Verleger Konrad Börries, die im Jahr 1966 ausgelieferte Last Edition des Modells Tritone (dt. Meergott) übernahm, lagerte das Boot auf einem ehemaligen, zum Bootstransporter umgebauten Magirus-LKW der Post. Der 52-jährige Börries mag das Vergnügen mit seinem grollenden Spielzeuglaster mit kreuz und quer durch Europa zu kurven.

Langlebiger Nimbus

Rivas sind im Prinzip Liebhaberobjekte, bei denen dem anfangs noch besonnenen Neubesitzer schnell die Vernunft abhandenkommt. Doch dank der aktuellen Anziehungskraft luxuriöser Sachwerte, kann sich der fränkische Sammler Martens seine „Rivamania“ kaufmännisch rechtfertigen. Auch Verleger Börries schaut optimistisch auf die Wertentwicklung seiner „Hermes“, die derzeit bei 300 000 Euro liegt. Und Besitzer einer historischen Riva haben einen Vorteil: So wie damals werden keine Schiffe mehr gebaut. 1970 endet die schillernde Ära Carlo Riva mit dem plötzlichen Verkauf der Werft, die danach und bis heute Boote aus pflegeleichtem Kunststoff baut. Von der Qualität und dem clever erhaltenen Riva-Nimbus zehren die stolzen Eigner der eleganten Sportboote bis heute. So wie die Werft, die im Januar diesen Jahres nach ereignisreichen Jahren als Teil der Ferretti Gruppe an den größten chinesischen Baggerproduzenten, die staatlich geführte „Shandong Heavy Industry Group-Weichai Group“ verkauft wurde.

*Name geändert. Zur Artikelübersicht