Herr Bassani, wie schwer ist einfach?

Über verwegenes Design, ein Boot für Batman und den neuen BMW X6. Der 53-jährige ist der gelassene Aufräumer des gedankenlosen „haben wir schon immer so gemacht“-Bootsbau. Mit unbeirrtem Blick auf das Wesentliche hat Bassani die Segel- und Motoryacht als zweckmäßiges Wassersportgerät neu vom Stapel gelassen. Das Talent des „Mister Wally“ ist es, den Wert vergessener wie neuer Ideen zu erkennen und kreative Köpfe für das nächste Boot zusammen zu bringen.

Bassani adaptierte beispielsweise das Cockpit moderner Rennyachten oder die angehobene Bootskante traditioneller Tourenyachten für das komfortable Sommerurlaubsboot, oder er beschäftigt branchenfremde Inneneinrichter mit dem Entwurf leichter Interieurs. Bassani überrascht immer wieder mit erfrischenden Konzepten, die das Bordleben angenehmer machen, zugleich den Impuls des Fahren- und Habenwollens auslösen.

Meist sind es nahe liegend einfache Lösungen, mit denen der smarte Italiener mit monegassischem Zweckwohnsitz die Szene verblüfft. Die Bauweise der viel beachteten 38 Meter langem Hochgeschwindigkeitsmotoryacht Wallypower beispielsweise erlaubt beachtliches Tempo bei ruppiger See und überzeugt am Ankerplatz mit angenehm kühlen Sitzgelegenheiten auf dem luftigen Vor- statt stickigen Achterdeck, ein regelmäßig übersehener Gesichtspunkt.

Anfang der 90er Jahre wurde Bassanis Vision von der agilen und aufgeräumten Yacht zunächst belächelt. Nach den ersten Stapelläufen galt sein Konzept dann als „ganz nett,“ wurde aber als „nicht seetüchtig“ heruntergeredet. Seit einem Jahrzehnt wird seine funktionale Nonchalance weltweit nachgeahmt. Bassanis unbeirrtes Interesse an Fahrleistung, Benutzer- und Familienfreundlichkeit hat die Branche weltweit „wallysiert“. Bassanis Marke, seine pfiffigen Details und seine als „schwimmendes Bauhaus“ bezeichnete, aufgeräumt klare, italienische Formensprache sind längst Synonym für die zeitgemäß moderne Yacht, gilt als Coolness zur See.

Wally Yachten segeln nicht nur ihre eigenen Regatten aus. Sie starten sogar beim Saisonausklang der noblen Segelwoche von Saint Tropez, wo eigentlich nur segelnde Antiquitäten erwünscht sind, als modernes Pendant. Vor einigen Jahren entwickelte er mit einem Spezialisten einen Motoryachttyp, der übliche Rempler beim Anlegen wie ein Autoscooter mit einer dicken Gummileiste wegsteckt. Würde man von Bassani ein Jahr lang nichts Neues hören oder sehen, müsste man sich Sorgen um den entspannt jovialen Italiener mit der sanften Stimme machen. Ein Gespräch mit einem Visionär, dem die Ideen nicht ausgehen und der seiner Branche meist ein paar Bootslängen voraus ist.

Frage: Herr Bassani, reden wir ein bisschen über Unabhängigkeit.

Bassani: Meinen Sie die finanzielle, oder die gedankliche?

Frage: Die gedankliche. Sie segeln seit ihrer Kindheit, haben die maritime Tradition quasi mit der Muttermilch bekommen. Wie löst man sich da aus dem Fahrwasser des Bekannten, entwickelt eine andersartige Yachtrange?

Bassani: Hinsichtlich der Markenführung ist eine gewisse Andersartigkeit natürlich interessant, doch war das nicht mein Ausgangspunkt. Das wird oft missverstanden. Beim Verkauf der väterlichen Firma B-Ticino war ich in der glücklichen Situation, für meine wachsende Familie eine Yacht mal ganz nach eigenen Vorstellungen zu entwickeln. Bis dahin hatte ich fertige Boote gekauft. Meine „Wallygator“ sollte schnell und einfach zu segeln sein. Ich wusste damals genau, was ich wollte und was nicht. Dies unterscheiden zu können und dann auch entsprechend zu wählen, das ist ein Ausdruck von Unabhängigkeit.

Frage: Was zum Beispiel wollten sie nicht?

Bassani: Im sonnig heißen Mittelmeer oder der Karibik segelt man gern barfuss. Da spüre ich das Boot direkter und es ist luftiger für den Fuß. Das geht mit herkömmlichen Booten nicht und es ging auch mit der ersten Wallygator kaum. Übliche Boote haben zu viel Hardware an Deck, an der man sich verletzt. Also habe ich darüber nachgedacht, wie sich deren Funktion ohne konventionelle Bootsausrüstungen erreichen lässt.

Sie sehen, es war eine ganz einfache Fragestellung und die Suche nach der geeigneten Antwort. Es geht mir um die richtige, nicht die notorisch andere Antwort. Dann habe ich es trotz mancher Einwände gebaut. Glauben Sie mir, unsere Welt ist voller Experten, die Ihnen ihre eigenen Bedenken und Barrieren aufdrücken wollen.

Frage: Ist es schwer, diese Lösungen zu finden, wenn man die Tradition, das „Nein“ und „Geht nicht“ im Kopf hat?

Bassani: Wenn Sie unbeirrt die Lösung für eine Aufgabe suchen, ist es nicht so schwer, wie Sie vermuten. Es hilft auch, wenn man entspannt an ein Thema heran geht. Schauen Sie, ich bin mit Booten groß geworden, habe Regatten, Meisterschaften gesegelt und die eine oder andere auch gewonnen. Das gelingt nicht, wenn Sie anderen hinterher Segeln. Sie müssen ihre Fähigkeiten kennen, eine eigene Strategie haben. Wenn es die richtige ist, gewinnen sie. Und dann liebe ich natürlich das Leben am und auf dem Meer. Dazu brauche ich ein agiles Boot, mit dem ich einfach ablegen kann.

Frage: Bei aller Funktionalität haben ihre Boote auch ein Teakdeck mit schwarzer Fugenmassen zwischen den Planken. Die wird im Süden ziemlich heiß.

Bassani: Wer sagt denn, dass ich beim „seit jeher“ stehen bleiben muss? Manche Tradition ist so schön, dass ich sie an heutige Bedürfnisse anpasse. Deshalb nehmen wir bei Wally helle Fugenmasse. So bringe ich den Genuss des Barfuss Segelns mit der schönen Anmutung in Einklang.

Frage: Sie reden viel über einfache Gesichtspunkte.

Bassani: Schauen Sie, das Leben ist schon kompliziert genug und in der Natur, draußen auf dem Meer suchen wir doch immer das Einfache, den Spaß mit Wind und Wellen. Hinzu kommt, dass Bootseigner kaum Zeit haben. Wenn man berufliche Verpflichtungen und eine Familie hat, muss man rasch zur Sache kommen, an Bord gehen und eine gute Zeit auf dem Wasser verbringen.

Frage: Ihre Boote sehen ziemlich anders aus. Mal sind es markante, eher an ein modernes Industriedesign als die maritime Welt erinnernde Formen, manches kommt ein wenig Retro daher. Es gibt völlig glatte Decks oder Pagoden artige, Panorama verglaste Aufbauten.

Bassani: Jeder passionierte Segler liebt das Vanderbilt Gefühl, die Übersicht über das glatte Deck einer Rennyacht. Das ist der archetypische Genuss fortgeschrittenen Yachtings. Aber es gibt auch andere Bedürfnisse. Auch großen Motoryachten oder dem Motorsegler möchte man den Panoramablick auf das Meer, Windschutz und im Süden natürlich Schatten. Deshalb gibt es für jeden Bootstyp eine individuelle Antwort.

Frage: Ihre Yachten wurden einmal als schwimmendes Bauhaus bezeichnet.

Bassani: Das ist interessant, aber der Manierismus wäre ein Irrweg. Die bestimmte Machart sehen und reproduzieren meine Nachahmer. Es geht immer um eine bestimmte Funktion, die ein Boot vorrangig zu erfüllen hat. Dann kommt die Ästhetik. Mein Vater hat mir mal erklärt, dass man für die gleichen Kosten ein schönes oder hässliches Produkt herstellen kann.

Frage: Herr Bassani, Sie provozieren aber schon ganz gern.

Bassani: Meinen Sie?

Frage: „Esense“ ist eine 44 Meter Yacht mit dem Look eines Bade-oder Segelschulboots. Das hat noch keiner gemacht. Es ist in gewisser Weise eine Frechheit.

Bassani: Als Sie das Boot in natura gesehen und gesegelt haben, fanden Sie „Esense“ da auch noch provokant? Ich erinnere, wie Sie schweigend und lächelnd über das Boot gingen.

Frage: Von außen schon, an Bord fand ich es logisch, konsequent.

Bassani: Dann ist „Esense“ richtig.

Frage: Ärgern Sie sich eigentlich über ihre Nachahmer?

Bassani: Es war höchste Zeit für den Generationenwechsel zum besseren Boot. Natürlich wäre es mir lieber, wenn alle das Original statt irgendeiner Kopie kaufen. Oft sehe ich auch schlechte, nicht verstandene Nachahmungen, aber das kann ich nicht ändern. Jetzt, wo meine Ideen nicht mehr bekämpft, sondern akzeptiert und nachgemacht werden, ist es leichter, weiter zu gehen und über die nächste Generation von Wally Yachten nachzudenken. Es gibt immer Leute, die einen eigenen Weg gehen und andere, die hinterhersegeln. So ist das Leben. Eigentlich eine einfache Geschichte, wie mit den Booten, oder?

Frage: Wann haben Sie das letzte Mal etwas zu ersten Mal erlebt, Herr Bassani?

Bassani: Seit einigen Monaten erlebe ich jedes Mal, wenn ich mit meinen Mitarbeitern bei Wally Design zusammenkomme, etwas Neues. Wir beschäftigen uns gerade mit einer neuen Motoryacht Generation, die jährlich dank 30 bis 40 Prozent weniger Verbrauch zig- oder hunderte Tonnen Sprit spart. Es ist eine faszinierende Geschichte und wir sind ziemlich weit. Der Rumpf wird viel effizienter sein und die Antriebsart anders.