AeroSail 200

AeroSail-Technologie

Auszug aus der von Dr. Hans Blume herausgegebenen Abschlussdokumentation zum 1992 von Edzard Reuter begonnenen, ’96 von seinem Nachfolger Jürgen Schrempp beendeten Sport- und Talentförderungsprogramm der Daimler-Benz AG.

,,Wer heute im Stabhochsprung etwas erreichen will, muss erstens gut springen können. Zweitens braucht er den bestmöglichen Stab“, sagt Eckart Wagner. ,,Das gilt in ähnlicher Form für technologieintensive Sportarten wie Rudern, Kanu- und Bobfahren. Oder zum Segeln. Die Sportler selbst und die sie unterstützenden Verbände sind überfordert, die technischen Voraussetzungen im Detail zu erkennen und aus eigener Kraft zu schaffen. Sie brauchen Hilfe aus artverwandten Branchen, wo sich Spezialisten tagtäglich mit ähnlichen Aufgaben befassen.“ So skizziert Wagner in einem Telefonat aus dem fernen Sri Lanka seine Sicht der Dinge.

AeroSail Forschung und Entwicklung für Erfolge im Segelsport

Es schien weniger die Frage, ob die wünschenswerten Technologien zu dieser Art der Sportförderung überhaupt vorhanden sind. Die eigentliche Herausforderung war vielmehr: Wie können sie dem Sport zugänglich gemacht werden? Das Know-how zur Fertigung intelligenter Produkte sitzt in Deutschland bekanntlich Tür an Tür: Universitäten mit eigens spezialisierten Forschungseinrichtungen, eine gleichermaßen innovationsfreudige wie agile mittelständische Industrie, namhafte Unternehmen mit weithin bekannten Produkten und respektabel ausgestatteten hausinternen F+E-Abteilungen. Welche Möglichkeiten bieten allein die Industriestandorte Stuttgart und München – und welches Know-how birgt die Provinz, wo kleine Spezialisten es zum Marktführer in ihrer Branche brachten. Welche Perspektive böte sich den beteiligten Firmen, eigene Fertigkeiten in einem interessanten, positiv besetzten Umfeld, dem Segelsport, darzustellen. So gesehen wäre Eckart Wagners „Sporttalent-Entwicklungsprogramm“, kurz STEP genannt, im wesentlichen eine Kommunikationsleistung gewesen.

Regattasegeln als Fallstudie und Labor

Die Studie mündete in das Unternehmen AeroSail: ,,Gedacht war, dass die Daimler-Benz AG mit einer erfolgreichen Förderung am Beispiel Segelsport zeigt, wie vorhandene Technologien für den deutschen Sport genutzt werden können.“ Experten aus dem Automobilbau, von der AEG und DASA sollten in einer ,,Fallstudie Segeln“ zeigen, wie das gelingen kann. Wagners Vision: ein „neues Denken in der Sportförderung“ etablieren. Dieser Einstieg sollte über das unausgesprochene Ziel einer Teilnahme an einer prestigeträchtigen Segelveranstaltung führen. Jeder wusste und weiß, was damit gemeint ist. Dummerweise ist die Geschichte deutscher Herausforderungen zum America’s Cup im wesentlichen eine des Herbeiredens und alsdann um so eifrigeren Zerredens. So verordneten sich die Beteiligten bereits 1992 anlässlich der ersten Symposien zur Sammlung von Beiträgen seitens der deutschen Wirtschaft, aus Forschung und der hiesigen Segelbranche, über dieses große Ziel öffentlich nicht zu sprechen und Spekulationen zu unterlassen.

Welchen Sinn konnte es geben, sich mit einer Bekanntgabe dieses Vorhabens in Zugzwang zu bringen? Hatte der promovierte Chemiker Bill Koch aus Texas anno 1981 vom America’s Cup gesprochen, als er die gebraucht gekaufte Rennmaschine der I0R Maxiklasse von „Huaso“ in „Matador“ umtaufte und mit einem in Seglerkreisen bis heute berüchtigten Training eine beispiellose Segler-karriere begann?

So befand sich das Unternehmen AeroSail als Organisationsform zur Erforschung, Entwicklung und Bereitstellung von Technologie für eine Veranstaltung dieses Zuschnitts von vornherein in einem eigenartigen Dilemma. Wer mit Blick auf die denkbare Option America’s Cup Grundlagenforschung in Sachen Strömungslehre, Design und Engineering oder Sensorik betreibt, zugleich allerdings auch unternehmensintern einem wachsenden Legitimationsdruck ausgesetzt ist, kann diesen Aufwand kaum mit dem einstweiligen Bau von ILC-40-Yachten zur Teilnahme an der inoffiziellen Weltmeisterschaft der Hochseesegler vor Cowes rechtfertigen. Denn die große Option America’s Cup hat mit dem Admiral’s Cup ungefähr soviel gemeinsam wie eine Rennsportveranstaltung der Tourenwagen Klasse mit der Formel 1 auf dem Nürburgring. Man kann allenfalls Erfahrungen in einer speziellen Disziplin sammeln und lernen, wie wacker sich das Team als Newcomer unter bestimmten Wettbewerbsbedingungen schlägt.

Nach Wagners Vorstellung war der America’s Cup nur eine Variante. Er hätte auch gerne die Entwicklung einer neuen OIympiaklasse in High-Tech-Bauweise und neuen Riggvarianten für Olympia 2000 als Ziel gesehen. Der Weltsegler Verband hatte eine entsprechende Ausschreibung gemacht.

Sichten, Untersuchen und Auswählen, Weiterentwicklung und Bereitstellel geeigneter Technologie für den Grand Prix Segelsport war also der Kerngedanke des Unternehmens AeroSail, auch wenn dieser aus oben genannten taktischen Gründen eher stiefmütterlich behandelt wurde. Im Anschluß an eine Reihe von Symposien (in Friedrichshafen bei Dornier, in Konstanz, in Ottobrunn bei der DASA, bei Mercedes-Benz in Stuttgart und in den Räumlichkeiten des Norddeutschen Regattaverein in Hamburg) wurden 1993 drei Arbeitsbereiche definiert. Drei Fragen sollten sie beantworten: Wie komme ich zu einem schnellen Boot (Design)? Wie baue ich es (Material)? Wie kann erfahre ich, ob es schnell ist (Sensorik)?

Aus AeroSail-Technologie – Forschung und Entwicklung für Erfolge im Segelsport von Erdmann Braschos, veröffentlicht von der AeroSail GmbH.

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